Wie man mit emotionaler Erpressung in einer Beziehung umgeht

Liebe, wenn du kannst!

Emotionale Erpressung ist eine ausgesprochen dysfunktionale Dynamik, die leider gar nicht so selten in Beziehungen anzutreffen ist. Es handelt sich dabei um eine Form von Manipulation, die eine Hälfte verwendet, um Forderungen an die andere durchzusetzen. Man kann hier getrost von Psycho-Terror sprechen, denn die Opfer wissen oft lange nicht, wie ihnen geschieht. Andere zu bedrohen, um zu bekommen, was man möchte, sollte in keiner zwischenmenschlichen Beziehung State of the Art sein. In einer romantischen hat sie mit Sicherheit nichts verloren. Häufig wenden Partner*innen diese Taktik an, wenn sie selbst unsicher sind, oder aber, sie orten Schwachpunkte an ihren besseren Hälften, die sie dann schamlos für ihre eigenen Zwecke ausnutzen. Wie bei einer „herkömmlichen“ Erpressung auch, lautet die Botschaft unterm Strich „Wenn du nicht tust, was ich will, wird es dir leidtun“. Doch wie kommt es so weit? Und: Wie kann man als Opfer einer solchen Beziehungsstrategie damit am besten umgehen? Ein paar Antworten zu diesen Fragen haben wir für dich:

1. Wie entsteht emotionale Erpressung?

Ähnlich wie bei krankhafter Eifersucht steht auch bei der emotionalen Erpressung am Anfang ein Ungleichgewicht in der Beziehung. Eine Partnerin oder ein Partner fühlt sich minderwertig und denkt, sie oder er kann nicht mithalten oder kommt zu kurz. Manchmal spielen Eifersucht und emotionale Erpressung auch Hand in Hand, etwa, wenn der Mann seinen Freundeskreis nicht aufgeben will, die Frau sich hinter den „Kumpels“ aber zurückgesetzt fühlt. Dann kann es zu Formulierungen kommen, wie: „Wenn du dich weiterhin so oft mit ihnen triffst, suche ich mir eine Affäre“. Häufig wird auch mit dem Verlassen des Partners gedroht, manchmal sogar mit Selbstverletzung oder Suizid. Die Opfer sehen sich dann in einer Zwickmühle, die sie zu Beginn jedoch nicht als solche erkennen. Klappt eine emotionale Erpressung und führt zum gewünschten Ergebnis, hat man einer künftigen Beziehungsstrategie unwissentlich alle Türen geöffnet. Die Wenn-dann-Argumentation wird ab sofort die Spielregeln in dieser Partnerschaft dominieren. Starke Persönlichkeiten hätten es gar nicht nötig, zu so einer List zu greifen. Sie kennen ihren Wert und sie kennen vor allem ihren Stellenwert innerhalb des Beziehungsgefüges. Eine selbstbewusste Frau mit eigenem Freundeskreis beispielsweise hätte keine Sekunde lang ein Problem damit, den Partner gelegentlich mit seinen Freunden zu teilen. Manchmal liegt dieser unschönen Dynamik auch Neid zugrunde. Eine Hälfte hat sich vielleicht während der gemeinsamen Zeit noch weiterentwickelt, eine Ausbildung abgeschlossen, Karriere gemacht oder sich zu einem fitteren und attraktiveren Menschen gemausert als noch zu Beginn der Partnerschaft. Die andere Hälfte fühlt sich zurückgelassen und auf der Strecke geblieben. Die Angst, den Partner zu verlieren, schwingt laufend mit. Was folgt, sind hilflose Versuche, innerhalb der Beziehung nicht an Bedeutung zu verlieren. 

2. Wie zeigt sie sich im Beziehungsalltag?

Die Wenn-dann-so-Strategie ist die beliebteste Form der emotionalen Erpressung. Sie kommt uns in der Hitze einer Diskussion auch recht schnell über die Lippen und bedarf keiner ausgeklügelten Taktik. Wir beherrschen das trotzige Androhen von Konsequenzen wahrscheinlich schon seit jener Zeit, als wir im Sandkasten gezwungen waren, unser Spielzeug mit anderen Kindern zu teilen. Die Drohungen im Erwachsenenalter können sich auf das Zerstören von Dingen beziehen, Liebesentzug, dem Ausplaudern intimer Details vor Schwiegereltern oder Freunden oder eben auch ganz massiven Szenarien wie die bereits erwähnte Selbstverletzung und sogar Tötungsabsichten (Beispiel: „Wenn ich dich jemals dabei erwische, wie du eine andere Frau ansiehst, bringe ich sie um!“). Übrigens bedienen sich beide Geschlechter dieser Taktik. Manchmal schleicht sich dieses Psycho-Spiel auch als Flatrate in eine Beziehung ein. Auf alles, was der andere sagt, wird mit derselben methodischen Strategie geantwortet. Zum Beispiel: „Du hast mein Leben zerstört, und jetzt willst du, dass ich mit dem Trinken aufhöre?“ Oder: „Es ist deine Schuld, dass ich diese Beförderung nicht bekommen habe“. Und sogar für ganz banale Äußerlichkeiten wird schnell eine Schuldige oder ein Schuldiger gefunden: „Wenn du nur gesundes Essen kaufen/besser kochen würdest, dann wäre ich nicht übergewichtig“. Diese Aussagen sind nicht nur schmerzhaft im ersten Moment, sie verwirren die Opfer auch gehörig, und das oft so lange, bis diese selbst an diese schräge Logik glauben.

3. Was können die Opfer dagegen tun?

Wie bei allen Psycho-Taktiken gilt: Gefahr erkannt, Gefahr schon fast gebannt. Es dauert oft leider sehr lange, bis wir bemerken, dass man uns zum Sündenbock für alles machen und uns daher ständig ein schlechtes Gewissen einreden möchte. Wer sich überdurchschnittlich oft entschuldigt, viele Themen gar nicht mehr ansprechen mag und einen Beziehungsalltag führt, der einem Tanz auf rohen Eiern gleicht, hat es ziemlich sicher mit emotionaler Erpressung in der Partnerschaft zu tun. Wenn du dich hier angesprochen fühlst, empfehlen sich folgende konkrete Schritte:

a) Sei ehrlich zu dir selbst

Jeder Mensch hat mal einen schlechten Tag oder sagt in der Hitze des Gefechts Dinge, die er später bereut. Wenn bei deiner Partnerin oder deinem Partner solche Allüren an der Tagesordnung stehen und vielleicht schon wegen jeder Kleinigkeit mit dieser oder jener Konsequenz gedroht wird, hast du es mit einem Beziehungsstandard zu tun, den du so sicher niemals wolltest. Wenn du vielleicht sogar schon massive Kompromisse eingehen musstest – etwa das Beenden von Freundschaften oder das Aufgeben bestimmter Hobbys – hast du diesem dunklen Spiel schon viel zu lange und viel zu sehr nachgegeben. 

b) Beginne ein Art Tagebuch oder Mobbing-Journal

Dieser Tipp wird auch Opfern von Belästigung und Mobbing am Arbeitsplatz gegeben. Der Grund: Wir vergessen und verdrängen vieles, was man uns im Laufe eines Tages im Vorübergehen an den Kopf wirft. Im privaten Bereich neigen wir leider sehr stark dazu, die rosarote Brille auch dann noch aufzubehalten, wenn um uns herum schon längst die Dunkelheit hereingebrochen ist. Notiere dir die besonderen Vorkommnisse und Wortmeldungen am besten immer sofort, solange die Erinnerung daran noch frisch ist. Das geschriebene Wort wirkt außerdem nachhaltiger und stärker als jede Erinnerung. 

c) Such dir Hilfe, am besten professionelle 

Wenn du dich in einer Beziehung wiederfindest, die von emotionaler Erpressung geprägt ist, sollte das Gespräch mit einer außenstehenden Person eine deiner ersten Handlungen sein. Man selbst sieht in solchen Situationen oft den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Am besten wäre es natürlich, deinen Fall gleich in professionelle Hände zu legen. Ein Profi kann dir nämlich auch bei der Klärung des nächsten, sehr wichtigen Punktes behilflich sein:

d) Entscheide, ob ernsthafte Gefahr besteht

Zwischen verbalen Drohungen und Handgreiflichkeiten ist es in Beziehungen oft leider nur ein schmaler Grat. Grundsätzlich gilt: Wer mit Worten Gewalt anwendet, kann daraufhin auch Taten folgen lassen. Sei in diesem Punkt unbedingt ehrlich zu dir selbst. Dreh auf keinen Fall den Spieß um und kontere mit (leeren) Drohungen oder dem Ankündigen von Konsequenzen. Psychisch labile Menschen, die sich in die Ecke gedrängt fühlen, reagieren oft unberechenbar.

Wenn es weht tut, ist es keine Liebe

Wie bei jeder Form von Terror innerhalb einer Beziehung gilt auch bei der emotionalen Erpressung: Liebe geht eindeutig anders. Wenn wir nicht wir selbst sein dürfen und ständig auf der Hut sein müssen vor dem Menschen, der uns eigentlich lieben und beschützen sollte, gibt es keine gemeinsame Zukunft, zumindest keine glückliche.