Wie man Menschen wieder vertraut, wenn man verletzt wurde 

Vertrauen 2.0

Kann es wirklich einen Neustart für zerstörtes Vertrauen geben? Es ist schließlich ein wertvolles Gut im zwischenmenschlichen Bereich. Gegenseitiges Vertrauen aufzubauen dauert lange, oftmals viele Jahre, kann aber mit nur einem Verrat im Bruchteil von Sekunden unwiederbringlich zerstört werden. Unwiederbringlich? Nein, natürlich nicht. Wir alle sind nur Menschen, und Menschen machen Fehler. Eine zweite Chance hat jede und jeder von uns verdient. Manchmal können wir die Konsequenzen unseres Handelns nicht sofort erkennen. Wir sprechen schneller, als wir denken können. Und in der Hitze des Gefechts, das wir Alltag nennen, kann es schon einmal vorkommen, dass wir jemandes Vertrauen versehentlich missbrauchen. Alles ist möglich im zwischenmenschlichen Bereich, so auch das Vergeben und Vergessen eines Vertrauensbruchs. Wir möchten dir hier acht Schritte vorstellen, die dieses Kunststück gelingen lassen können, wenn du bereit dazu bist:

1. Setz dich und deine Bedürfnisse an erste Stelle

Wir sind nicht der Punchingball oder der Crashtest Dummy für andere Menschen. Niemand hat das Recht dazu, mit unseren Gefühlen zu spielen und unser Vertrauen leichtfertig zu missbrauchen. Selbst wenn dieser Umstand nur einer Unachtsamkeit geschuldet ist: Erwachsenwerden ist allen Menschen zumutbar. Wenn du dich plötzlich in einer Situation wiederfindest, die deine bisherigen Überzeugungen aus den Angeln hebt, musst du Prioritäten setzen. Dort gibt es nur einen ersten Platz, und dieser gehört dir. Versuche die gutgemeinten Ratschläge der anderen auszublenden. Niemand kann wissen, wie es dir im Moment wirklich geht. Und niemand außer dir ist für deine Gefühle verantwortlich. Falls nötig, zieh dich von der Welt zurück und stelle dich deiner Enttäuschung und deiner Wut bewusst. Tust du das nicht, können diese Emotionen dich langfristig innerlich zerfressen.

2. Klare Grenzen müssen sein

Gerade bei Vertrauensbruch neigen wir sehr stark dazu, in ein Denken in Schwarz-Weiß zu verfallen. Plötzlich ist alles böse und schlecht an diesem Menschen, und wir haben es ja schon immer gewusst. Das stimmt so natürlich nicht. Wer nicht weiß, was er von einer anderen Person halten soll, denkt an das, was er wirklich und wahrhaftig über sie weiß. Das Herunterbrechen des großen Ganzen auf kleine Ausschnitte kann uns helfen, hier wieder klarer zu sehen. Gehe dafür ruhig auf Abstand zu diesem Menschen. Wir sind keine Heiligen, die freudvoll die andere Wange hinhalten, wenn man uns verletzt hat. Doch stecke deine Grenzen weise ab. Eine Tür, die man auch angelehnt lassen kann, muss man nicht unbedingt zuknallen.

3. Sprich deine Gefühle und deine Sicht der Dinge klar an

Wenn sich der Sturm in deinem Inneren einmal gelegt hat, ist es Zeit für reinen Tisch. Triff dich dafür mit der Person, die dein Vertrauen enttäuscht hat, an einem neutralen Ort. Ein öffentlicher Platz wie ein Café zum Beispiel verhindert, dass das Treffen eskaliert und du vielleicht Dinge sagst, die du später bereust. Bleib höflich, aber begib dich nicht in die Position eines Bittstellers. Eine aufrichtige Entschuldigung vorausgesetzt, kannst du deine Gefühle und deine Sicht der Dinge kurz skizzieren. Ein episches Drama bringt niemanden weiter. Dieses erste Vorfühlen muss nicht gleich wieder alles in goldenes Licht tauchen. Betrachte es als ersten Schritt, und gratuliere dir selbst dazu, wenn du diese Größe aufbringen konntest. Alles aus der Welt geschafft ist damit aber sicher nicht.

4. Welche Aspekte haben dich besonders verletzt?

Enttäuschte Erwartungen und verletzte Gefühle sind häufig Indikatoren dafür, wo unsere ganz persönliche Achillesferse liegt. Jeder Mensch hat Baustellen, die ihm unangenehm sind. Von diesen berichtet er nur engsten Vertrauten, und wenn diese ihre Vormachtstellung schamlos ausnutzen, geht es streng genommen nicht in erster Linie um diesen Verrat an sich, sondern um die wunden Punkte, die betroffen sind. Solche „Trigger“ können ein schwaches Selbstwertgefühl und Minderwertigkeitskomplexe sein. Sie können sich aber auch hinter ganz konkreten Dingen verstecken, die jemand anders vermutlich nicht einmal als Schwäche erkennen könnte. Diese Erkenntnis macht den Verrat nicht geringer, aber sie zeigt uns, dass jedes Ereignis im zwischenmenschlichen Bereich zwei Seiten hat. Auch hier folgt Reaktion auf Aktion.

5. Betrachte das Verhalten anderer als Lektion

Wir lernen viel aus solchen Situationen, wo uns vorübergehend der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Im ersten Moment sind wir einfach nur perplex, enttäuscht und wütend. Doch mit der Zeit erkennen wir das Potenzial, das solche Aha-Erlebnisse mit sich bringen. Gebrannte Kinder scheuen nicht umsonst das Feuer. In Zukunft sind wir vorsichtiger und achten besser auf unsere Wortwahl und die Menge an Informationen, die wir preisgeben.

6. Entscheide dich bewusst: Neustart, ja oder nein?

Einen Menschen komplett aus seinem Leben zu schneiden, nur weil dieser einmal vielleicht nicht nachgedacht hat, ist schon eine Ansage. Du solltest dir gut überlegen, ob dieser Vertrauensbruch es wirklich rechtfertigt, eine ansonsten gute Beziehung, Freundschaft oder Bekanntschaft in den Wind zu schießen. Das Schöne am Erwachsensein ist: Wir haben die Wahl. Nicht jeder Mensch muss in unserem Leben einen Fixplatz erhalten, der nicht unseren Vorstellungen von Moral und Ethik entspricht. Umgekehrt obliegt es einzig unserem Urteilsvermögen, ob wir ihr oder ihm eine zweite Chance ermöglichen. Wenn du dich dafür entscheidest, mach es bewusst und löse dich von deinem Groll. Diesem Menschen im Anschluss daran auf ewig zu zürnen, wenn auch nur im Verborgenen, macht niemanden glücklich. Auch bringt es nichts, dieser Person bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit ihr Fehlverhalten unter die Nase zu reiben. So machst du dir dein Leben nur selbst schwer. Verzeihen musst du den Vertrauensbruch zu 100 Prozent, damit ein Neustart gelingen kann. Das Vergessen steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

7. Hol dir gerne auch professionelle Hilfe mit ins Boot

Besonders in Partnerschaften lohnt sich ein Kampf um die Basis, wenn ein Vertrauensbruch begangen wurde. Eine Affäre beispielsweise ist keine einfache Angelegenheit, die über Sein oder Nichtsein der kompletten Beziehung entscheiden sollte. In solchen Fällen lohnt es sich definitiv, sich professionelle Hilfe zu suchen. Eine Paarberatung, Mediation oder Supervision können hier Fortschritte verbuchen, die man allein zu Hause am Küchentisch in 100 Jahren nicht erzielt.

8. Akzeptiere, dass dieses Unterfangen Zeit braucht

Ein Vertrauensbruch ist kein Beinbruch, im mehrfachen Wortsinn. Es dauert oft lange Zeit, bis wir wirklich die Dinge auf sich beruhen lassen und dem anderen verzeihen können. Beziehungen und Freundschaften werden durch diesen Prozess auf eine harte Probe gestellt. Nicht selten bilden sich dann auch im Umfeld zwei Lager, die sich jeweils für die eine oder andere Seite starkmachen. Gib deinen Gefühlen alle Zeit der Welt, die sie für ihre Heilung brauchen. Das schuldest du ihnen, und das schuldet die Welt auch dir.

Vergeben und vergessen?

Es ist nur allzu menschlich, sich einen Vertrauensbruch sehr zu Herzen zu nehmen. Natürlich gibt es Leute, die schneller über einen solchen Verrat hinwegkommen als andere. Einige Menschen neigen nach solchen Verletzungen dazu, sich in Zukunft zu hüten, jemals wieder leichtfertig jemandem zu vertrauen. Die wahrscheinlich nützlichste Betrachtung zu diesem schwierigen Thema verdanken wir dem einstmals reichsten Menschen der Welt, Jean Paul Getty. Er hielt fest: „Wenn man einem Menschen trauen kann, erübrigt sich ein Vertrag. Wenn man ihm nicht trauen kann, ist ein Vertrag nutzlos.“