Was Weihnachten mit deinem Gehirn macht

Alle Jahre wieder

Zwischen Weihnachts-Zauber und Weihnachts-Wahnsinn verläuft nur eine schmale Grenze. Diese verschwimmt im Laufe der Feiertage schon mal. Die Statistiken über familiäre Auseinandersetzungen und Vorfälle im häuslichen Bereich sprechen da leider eine deutliche Sprache. Fast könnte man irgendwann an einen Punkt gelangen, wo man auch das Weihnachtsfest nur mehr als bloßen Bestandteil von Mythen und Märchen sieht. Obliegen wir hier einem Trugbild, das mit der Realität einfach nicht mithalten kann? Oder täuschen uns unsere Erinnerungen aus der Kindheit? Natürlich läuft es zu Weihnachten hinter den Kulissen ganz anders ab, als gerade Kinder die mühsame und kräftezehrende Inszenierung ihrer Eltern letztendlich erleben. Vielleicht ist Weihnachten aber auch nur ein psychischer Ausnahmezustand, den es – alle Jahre wieder – zu bewältigen gilt. Zuverlässige Daten liefern uns auch zu diesem glanzvollen Thema inzwischen einige wissenschaftliche Studien. Eines gleich vorweg: Der gefühlte Wahnsinn ist keine bloße Einbildung. Was das Weihnachtsfest ganz genau mit unserem Gehirn so anstellt, erfährst du in unserem heutigen Artikel:

1. Weihnachten feiern heißt Weihnachten lieben

Warum feiern wir Weihnachten noch immer, obwohl seine religiöse Bedeutung inzwischen kaum mehr wahrnehmbar ist? Tun wir es aus reiner Gewohnheit? Die Forschung widmete sich dieser Frage und scheute dabei auch nicht davor zurück, das menschliche Gehirn mittels MRT-Scan auf seine weihnachtlichen Aktivitäten hin zu untersuchen. Das Ergebnis – kurz und einfach zusammengefasst: Wer Weihnachten feiert, zeigt in seinem Gehirn mehr Aktivitäten beim Betrachten von weihnachtlichen Bildern als Menschen, die diese Tradition nicht pflegen. Die Gehirnareale, die dabei zu arbeiten beginnen, sind zuständig für Spiritualität, das Erkennen und Verarbeiten der Emotionen und unsere Empathie. All diese Aktivitäten führen unterm Strich dazu, dass unser Stresslevel sinkt, unsere Gefühle intensiver wahrgenommen werden und wir zu einer sehr viel positiveren Grundstimmung gelangen. Eine weihnachtliche Gesinnung im Hinblick auf das Fest der Liebe bestärkt also tatsächlich unser Gefühlsleben und kann uns in Hochstimmung versetzen. Die Aussicht auf das bevorstehende Fest löst in gewisser Weise eine Art wunderschöne Kettenreaktion in unserem Gehirn aus, die mit den Lichterketten am Weihnachtsbaum um die Wette strahlt. Diese Hochstimmung ist gottseidank ansteckend und kann vieles von der Hektik und dem Chaos kompensieren, das die offiziell schönste Zeit des Jahres den meisten von uns so abverlangt.

2. Schenken macht glücklicher als beschenkt zu werden

Oder: Geben ist seliger als Nehmen! Auch diese anerkannte Tatsache wurde bereits im Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2008 wissenschaftlich bewiesen. Die Probanden hatten dabei die Wahl, mit einer bestimmten Summe ein Geschenk für sich selbst oder für andere zu kaufen. Am Ende des Tages wurde ihr subjektives Glücksempfinden gemessen. Wer ein Geschenk zum Weiterschenken erworben hatte, war dabei deutlich glücklicher als jene Studienteilnehmer*innen, die sich selbst bedacht hatten. Doch dieses Ergebnis verwundert eigentlich nicht. Spätestens seit dem Bestseller „Die 5 Sprachen der Liebe“ von Gary Chapman wissen wir, dass das Schenken mehr ist als die bloße Darreichung eines Präsents. Viele Menschen, die es auf anderem Wege nicht wollen oder können, bringen mit einem Geschenk ihre Gefühle zum Ausdruck. Hauptsächlich natürlich die positiven und romantischen. Allerdings gibt es auch Geschenke, die das genaue Gegenteil symbolisieren wie Messer oder Kakteen beispielsweise. Solange wir aus freien Stücken jene Mitmenschen mit einem Paket beschenken dürfen, die wir uns selbst aussuchen können, ist das Schenken die größte Freude an Weihnachten. Mühsam wird dieser schöne Brauch erst dann, wenn er zur lästigen Pflicht mutiert oder vielleicht sogar erwartet wird.

3. Weihnachtslieder können Halluzinationen begünstigen

Alle, die im Handel arbeiten, wussten diese kürzlich bewiesene Tatsache wahrscheinlich schon längst. Wer den ganzen Tag über das Powerplay von Weihnachtsliedern über sich ergehen lassen muss und dabei zusätzlich konstant dem Lärm und den Forderungen von Menschenmassen und künstlichem Neonlicht schutzlos ausgesetzt ist, wünscht sich vom Christkind eine Gummizelle oder zumindest Stille und Abgeschiedenheit. Wissenschaftlich bewiesen werden konnte der Umstand, dass Weihnachtslieder uns im wahrsten Sinne des Wortes „wahnsinnig“ machen in einem ungewöhnlichen Experiment. Freiwilligen wurde ein Rauschen auf Tonband vorgespielt. Jedes Mal, wenn sie glaubten, darin „White Christmas“ von Bing Crosby zu hören, sollten sie einen Knopf drücken. Ein Drittel der Probanden drückte diesen Knopf mindestens ein Mal. Sie alle hatten erwiesenermaßen eine höhere Anfälligkeit für fantastische Konstrukte, was mit der Launay–Slade Hallucination Scale (LSHS) objektiv erfasst und belegt werden konnte. Wie für alle guten Dinge im Leben gilt also auch für Weihnachtslieder: Die Dosis macht das Gift. Wer es sich aussuchen kann, gibt auch hier der Qualität den Vorzug vor der Quantität und geht Bing Crosby bis auf weiteres vielleicht besser aus dem Weg. 

4. Musizieren hebt die Stimmung – auch zu Weihnachten

Singen und Musizieren wirken sich erwiesenermaßen sehr positiv auf unsere Stimmung aus. Weihnachtslieder sind da keine Ausnahme. Laut einer Studie aus Michigan kann das gemeinsame Singen von Weihnachtsliedern nicht nur die sozialen Bindungen zwischen den Sänger*innen stärken, sondern auch deren körperliches und seelisches Wohlbefinden verbessern. Die Untersuchung ihrer Neurochemie konnte beweisen, dass beim Singen in der Gruppe unser Stresslevel sinkt und sich das Gefühl von sozialer Verbundenheit verstärkt. Weiters fanden die Forscher*innen einen deutlichen Rückgang des Hormons ACTH, welches als Marker für Erregung und Stress dient. Die Ausschüttung des Hormons Oxytocin hingegen, welches auch gerne als Bindungs-Hormon bezeichnet wird, stieg während des Singens deutlich an. 

5. Der Vergleich macht uns unglücklich

Nicht nur zu Weihnachten, sondern das ganze Jahr über ist es eine schlechte Idee, das eigene Leben und die eigenen Möglichkeiten mit jenen anderer Menschen zu vergleichen. Im Zusammenhang mit dem Fest der Liebe hat sich nicht zuletzt deswegen ein Konsumrausch entwickelt, der uns nicht nur benebelt, sondern viele Menschen auch finanziell an ihre Grenzen bringt. Statt Geschenken, die von Herzen kommen, müssen es immer mehr werden. Die Bedeutung und die Liebe, die mit dem Akt des Schenkens einhergehen, geht hingegen in der Flut von Geschenkpapier und Müllbergen jedes Jahr noch schneller unter. Diesen Wettstreit können wir nicht gewinnen. Glücklich und zufrieden hingegen wird Weihnachten für all jene verlaufen, die sich jeder Art von Terror entsagen können. Die einstmals als stille Zeit bezeichnete Lawine an gesellschaftlichen Zwängen und Verpflichtungen verschüttet uns sonst irgendwann.

Weihnachtsengel oder Grinch?

Was all diese Studien in Summe zeigen ist – abgesehen von der halluzinogenen Wirkung von Bing Crosby – vielleicht nicht sehr überraschend. Wer Weihnachten als Fest der Familie und Freude kennenlernen durfte, wird seinem Zauber ein Leben lang die Treue halten. Wem diese Tradition hingegen als Kind verwehrt wurde, wird sich ein Faible dafür rückwirkend nur schwer antrainieren können. Viele Erwachsene haben keine echte Freude mit Weihnachten. Es ist für sie hauptsächlich mit Stress, Frustration und einer Menge Ärger innerhalb der Familie verbunden. Die wenigen Glücklichen allerdings, die unerbittlich am Zauber des Christfestes und der magischen Wochen vor dem Heiligen Abend festhalten, werden dies auch weiterhin tun. Weihnachten ist also nicht nur ein Fest für alle Sinne, sondern vor allem für die Fortgeschrittenen und all jene, die zeitlebens darauf hintrainieren durften. Ob wir als freudestrahlender Weihnachtsengel den Advent bestreiten oder als miesepetriger Grinch wurde uns also – wie so vieles – zwar nicht unter den Christbaum, aber dafür in die Wiege gelegt.