Neuanfang: Wenn der Partner stirbt

Plötzlich allein

Wenn die Partnerin oder der Partner stirbt, hebt das die Welt, wie man sie bislang kannte, völlig aus den Angeln. Von einer Sekunde auf die andere ist plötzlich nichts mehr, wie es war. Neben dem emotionalen Verlust kommen bei einem Todesfall noch zusätzlich schnell ganz pragmatische Probleme auf einen zu, denen man sich stellen muss. Das Sterben ist eine brutale Angelegenheit, zumindest für die Hinterbliebenen. Wer plötzlich und unerwartet aus dem Leben scheidet, hat selbst großes Glück, die Angehörigen hingegen müssen diesen Schock erst verdauen. Wer hingegen einen langen Leidensweg bis zum Ende gehen muss, kann sich und die Seinen zwar besser auf das bevorstehende Szenario vorbereiten, muss allerdings selbst großes Leid erdulden und seinen Lieben dabei zusehen, wie sie mit ihm leiden. Das Sterben ist also nichts für Feiglinge. Dennoch ist es das einzig wirklich Sichere und streng genommen das einzig wirklich Gerechte im Leben: Jeder muss schließlich einmal gehen. Da Trauer etwas sehr Individuelles ist, gibt es leider kein Patentrezept dafür. Wir möchten dir hier dennoch ein paar Gedanken mit auf den Weg geben, wie es nach dem Verlust eines Lebenspartners weitergehen kann:

1. Sprich mit den Lebenden über den Tod

Der Tod ist gewiss, der Tag und die Stunde sind es nicht. Für den Fall der Fälle ist es sinnvoll, mit seinen Angehörigen offen darüber zu sprechen. Im Todesfall gilt es so vieles zu regeln, dass es schon eine enorme Hilfe ist, zumindest die Wünsche der/des Verstorbenen zu kennen. Wer den Tod thematisieren kann, nimmt ihm darüber hinaus einiges von seinem Schrecken. Neben den unzähligen organisatorischen Entscheidungen (Beerdigung, Testament, Patientenverfügung, Organspende etc.) sollte man auch den Mut finden, mit seinem Partner über die Zeit danach zu sprechen. Die meisten Menschen möchten ihre Lieben glücklich und in Sicherheit wissen. Dass das Leben nach dem eigenen Tod für den jeweils Hinterbliebenen unbedingt weitergehen soll, kann gar nicht oft genug betont werden.

2. Trauer ist Privatangelegenheit

Wenn der Partner stirbt, wird man nach dem ersten Schock und dem Organisieren von gefühlten hundert Kleinigkeiten wahrscheinlich recht schnell mit guten Ratschlägen überbordet. Sinnfreie gute Wünsche werden von allen Seiten auf die Hinterbliebenen hereinprasseln, wirklich hilfreich ist kaum einer davon. Jeder Mensch trauert anders, und das ist gut so. Wer am Tag nach der Beerdigung die Schränke ausräumen und die Sachen der/des Toten der Wohlfahrt spenden möchte, darf dies guten Gewissens tun. Wer die Wohnung kein Stück verändern und für den Verstorbenen noch täglich den Tisch mit decken will, darf das ebenfalls. Außenstehende haben keine Ahnung, wie es im Inneren der/des Trauerenden aussieht. Man darf sich zurückziehen und die Trauer nach eigenem Ermessen leben. Denn: Das ist der wahrscheinlich wichtigste Punkt:

3. Trauer und Schmerz müssen gelebt werden

Die Vorstellung ist nicht sehr schön, aber essenziell, wenn es irgendwann einmal wieder weitergehen soll. Wir müssen den Verlust in all seinen Facetten spüren und die Trauer mit all ihren Phasen zulassen. Nicht jeder Mensch durchlebt alle Trauerphasen. Auch sind sie im echten Leben nie so klar voneinander abzugrenzen wie auf dem Papier. Manchmal überschneiden sie sich, manche werden auch ausgelassen. Die bekannte Sterbeforscherin und Autorin Elisabeth Kübler-Ross unterscheidet fünf Phasen der Trauer: Leugnen, Wut, Verhandeln, Resignation und Akzeptanz. Ergänzt werden diese klassischen Stadien mitunter durch Desorientierung, Schuldgefühle und Angst. Das Gefühlschaos ist angesichts dieser Aussichten logischerweise vorprogrammiert. Jedes Gefühl ist wichtig und richtig, keines ist jemals falsch. Wer seinen Schmerz in Ruhe ausleben möchte, darf sich zurückziehen und sich seinen Emotionen hingeben. Wer viel Gesprächsbedarf in dieser Zeit hat, soll auch diesem Bedürfnis nachgeben und sich Ansprechpartner*innen suchen.

4. Keine Angst vor Rückschlägen

Den Lebensmenschen einfach zu begraben und weiterzumachen, als ob nichts gewesen wäre, ist für niemanden eine Option. Oft stirbt mit ihr oder ihm nicht nur die bessere Hälfte, sondern auch ein ganzes gemeinsames Kapitel der eigenen Lebensgeschichte. Manchmal bleiben auch noch viele Pläne unerfüllt und viele gemeinsam erträumte Zukunftsvisionen müssen mit dem Tod des Partners beerdigt werden. Es ist daher nur verständlich, dass die Trauer kein linearer Prozess ist, der sich täglich ein Stück besser bewältigen lässt und uns irgendwann ans Ziel führt. Trauern ist eher wie eine Wanderung über unstetes Gebiet. Man beginnt zwar in der Talsohle, wird aber nicht in einem Zug den Gipfel erreichen. Dazwischen immer wieder einmal Rückschläge zu erleben, ist daher ganz normal. Manchmal können „gute“ und erträgliche Wochen und Monate vergehen, bis wieder ein Ereignis uns zurück mitten in die tiefste Trauer wirft. All das ist normal und kein Grund, mit dem eigenen Leben gedanklich abzuschließen oder mit seinem Schicksal für immer zu brechen. Es wird weitergehen, auch wenn vielleicht der Fortschritt zwischendurch immer wieder von Rückschritten begleitet wird.

5. Hilfe für Körper, Geist und Seele suchen

Wer plötzlich auf sich allein gestellt ist, muss unmittelbar nach dem Todesfall erst einmal nur funktionieren. Die organisatorischen und bürokratischen Spießrutenläufe lenken in den ersten Wochen ganz gut vom Trauerprozess ab. Allerdings verstricken sie uns auch in eine Art Betäubungszustand, der irgendwann ein Ende haben muss. Unser Körper will beachtet werden, sonst führt die Trauer irgendwann zu ernsthaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Ein Spaziergang an der frischen Luft, Sport und eine gute Ernährung sind die Pfeiler, an denen wir selbst arbeiten können. Schlaf ist wahrscheinlich den wenigsten Trauernden gegönnt. Auf sich und seine Gesundheit zu achten, fällt im Trauerfall schwer und erscheint vielen Menschen sinnlos und unnütz. Dennoch ist es nicht unser Leben, das vorbei ist. An uns liegt es nun, weiterzumachen und einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, ob wir das wollen oder nicht. Wer gerne über seine Trauer sprechen möchte, ist bei entsprechenden Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen gut aufgehoben. Wer seinen Schmerz lieber allein verarbeitet, sollte zumindest zu Stift und Papier greifen und seine Gefühle notieren. Sich den Kummer von der Seele zu schreiben, ist ein einfacher, aber effektiver erster Schritt auf dem Weg Richtung Heilung.

6. Mit kleinen Schritten Richtung Neuland

Auch hier gilt wieder: Jeder Mensch ist anders und kommt auf anderen Wegen aus der Trauer heraus in ein neues Leben. Ein neues Hobby, ein Ehrenamt, Sport oder Reisen sind ideale Möglichkeiten, um auf neue Gedanken zu kommen und die Phasen der Trauer bewältigen zu können. Zahlreiche Plattformen im Internet ermöglichen einen Austausch unter Leidensgenoss*innen und das Knüpfen von neuen Kontakten. Wichtig: Wer seinen Lebensmenschen verloren hat, ist niemandem Rechenschaft schuldig. Dies gilt für die Lebenden, aber auch für die Toten.

Der Tod ist nicht das Ende

Dieser Satz mag in manchen Ohren zynisch klingen. Vor allem, wenn der Tod überraschend gekommen ist und man auf das Unfassbare nicht im Ansatz vorbereitet war. Was für die Verstorbenen oft ein Segen ist, entpuppt sich für diejenigen, die zurückbleiben und ihr Leben allein meistern müssen, als schier unerträglich. Im Vorteil ist hier ganz klar, wer dieses Leben nicht als das einzige betrachten kann. Ein gewisses Maß an Basis-Spiritualität ist daher gerade in dunklen Zeiten eine enorme Stütze. Das Weitermachen fällt uns leichter, wenn wir wissen, dass es auch für unsere Verstorbenen weitergehen wird.