Dunkle Triade: Warum manche Menschen Narzissten oder Psychopathen werden

Kindheit als Schlüssel 

Die Forschung befasst sich schon seit vielen Jahren mit der Frage, was Menschen zu bösen Menschen macht. Sind wir geboren, um anderen Schaden zuzufügen? Ist es das Umfeld, in dem wir aufwachsen? Oder sind es doch eher die Vorbildwirkung und die Beispiele, die wir als Kinder von zu Hause mitbekommen? Gibt es etwa gar so etwas wie eine genetische Vorbelastung? Und: Kann man anhand von äußeren Merkmalen erkennen, ob es sich bei der Person um einen potenziellen Psychopathen, Narzissten oder Machiavellisten handelt? Denn: Diese drei Persönlichkeitstypen bilden gemeinsam die „Dunkle Triade“. 

Dunkle Triade – Der moderne Pakt mit dem Teufel

Viele berühmte Geschichten ranken sich um Menschen, die ihre Seele irgendwann einmal dem Teufel verkauft haben. Als Gegenleistung winken Unsterblichkeit, Reichtum und große Macht. Auch Märchen wie das „Kalte Herz“ griffen dieses Sujet des schlechten Tausches mit erhobenem Zeigefinger immer wieder gern auf. Einer dieser literarischen Meilensteine gab einer Spielart der Psychopathologie sogar ihren Namen: Machiavellismus. Sein Schöpfer, der italienische Dichter und Universalgelehrte Niccolò Machiavelli lässt den Protagonisten seines Meisterwerks „Der Fürst“ nämlich sprichwörtlich über Leichen gehen, um an seine Ziele zu gelangen. Ähnlich operieren auch heute noch Menschen, die man diesem Bereich der „Dunklen Triade“ zuordnen kann. Die beiden anderen sind allerdings wesentlich bekannter: Der typische Narzisst strotzt vor Selbstverliebtheit und ist weder zu Empathie noch zu anderen Gefühlen fähig. Er ist der Puppenspieler unter den dunklen Charaktertypen und liebt es, seine Mitmenschen mit seinen Psycho-Spielchen an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Der klassische Psychopath hingegen kann viele Gesichter zeigen. Manche bleiben ihr ganzes Leben lang unauffällig und weilen unerkannt mitten unter uns. Erst wenn sie provoziert, beleidigt oder zutiefst gekränkt werden, beginnen grausame Rachefantasien und düstere Pläne in ihrem Kopf Gestalt anzunehmen.

Wer stellt die Weichen in Richtung Gut oder Böse?

Der aktuelle Forschungsstand legt nahe, dass es tatsächlich so etwas wie eine Veranlagung dafür gibt, ein guter oder schlechter Mensch zu sein. Entscheidend ist allerdings, welche Rahmenbedingungen man in Kindheit und Jugend vorfindet. Einige dieser Erkenntnisse sind nicht neu, wieder andere hingegen überraschen dann doch. Eine grobe und stark verkürzte Zusammenfassung des derzeitigen Wissenstandes zeigt folgendes:

1. Geld spielt (k)eine Rolle

Dieser Fakt mag wenig überraschend sein. Viele psychisch auffällige Straftäter*innen stammen aus finanziell soliden und teilweise sogar sehr wohlhabenden Verhältnissen. Eine Kindheit in Reichtum und voller materieller Luxusgüter ist kein Garant dafür, dass sie einen guten Menschen hervorbringt. Umgekehrt sind ärmliche Verhältnisse und ein Aufwachsen, das von Bescheidenheit und Entbehrungen geprägt ist, nicht zwangsläufig die Voraussetzungen für eine kriminelle Karriere. Doch gerade Narzissten scheinen besonders oft aus gut situierten Familien zu stammen. Sie haben dabei nicht selten ein Elternteil zum fragwürdigen Vorbild, das ebenfalls dieser Neigung frönt. Das Kind wächst ohne echte Zuwendung und ohne wahrhaftige Gefühle heran, umgeben allerdings von einer ganzen Menge Luxus. So lernen diese Menschen schon früh, was im Leben anscheinend wichtig ist, und welche Teile man getrost weglassen kann. Sie funktionieren selbst nach dem Belohnungssystem, eine Taktik, die sie dann später auch als Erwachsene mit Bravour beherrschen und anwenden. Allerdings bekommen sie auch die Botschaft mit auf den Weg, dass sie nicht als Menschen um ihrer selbst willen geliebt werden. Sie müssen die Erwartungen bedienen. Der schöne Schein muss dabei um jeden Preis gewahrt bleiben. Der Sinnspruch „Geld macht nicht glücklich“ greift hier also zum Teil perfekt. Andererseits ist ein gewisses Maß an finanzieller Stabilität auch die Grundvoraussetzung für stabile familiäre Strukturen. Und genau diese scheinen der Schlüssel zu sein, die über ein Leben an der Sonnenseite oder eines in der Dunkelheit entscheiden. 

2. Stabilität gewinnt

Wer den viel zitierten Satz „Schlechte Familien und schlechte Eltern sind besser als gar keine“ schon immer höchst problematisch fand, muss laut neuesten Erkenntnissen ein wenig zurückrudern und Abbitte leisten. Die Faktenlage zeigt nämlich, dass er näher bei der Wahrheit verankert ist, als man annehmen könnte. Wie jüngste Statistiken zeigen, sind es nämlich nicht hauptsächlich die Kinder aus dysfunktionalen Familien, die später zu Psychopathen und Narzissten werden. Überdurchschnittlich oft sind es jene Kinder, die ihren biologischen Familien weggenommen und in Heimen oder Pflegefamilien untergebracht wurden. Der eigentliche Schaden an der Kinderseele entsteht anscheinend durch die permanente Unsicherheit, die ab diesem Moment ihr Leben bestimmt. In Heimen regiert ohnehin ein ständiges Kommen und Gehen, die Betreuer*innen wechseln häufig und die Aussicht auf Adoption oder die Vermittlung in eine Pflegefamilie sorgen nicht für Hoffnung und Optimismus, sondern schüren ein konstantes Klima der Verunsicherung. Und selbst einmal in einer Pflegefamilie untergebracht, erfahren viele Kinder, dass dies nicht die letzte Station für sie bleiben wird. Brutal auf einen Nenner gebracht könnte man also festhalten: Stabile Armut und Dysfunktionalität innerhalb der Familie sind die deutlich hoffnungsvolleren Voraussetzungen für die psychische Entwicklung eines Kindes, als die vermeintliche Verbesserung seiner Lage als Heim- oder Pflegekind. Ausnahmen bestätigen wie immer natürlich auch hier die Regel. 

3. Ständiges Kommen und Gehen erschüttert die Grundfesten

Doch auch wenn die Kinder in ihren Familien oder zumindest bei Elternteilen verbleiben dürfen, gibt es einen Punkt, der nicht unterschätzt werden darf. Es geht wieder um Stabilität, diesmal, was das Wechselspiel innerhalb der Familie betrifft. Ein häufiger Partner*innenwechsel der Elternteile beispielsweise mutet den Kinderseelen jedes Mal aufs Neue sehr viel zu. Sie lernen früh, dass anderen Menschen nicht zu trauen ist und man sich auf nichts und niemanden verlassen kann. Verlassen hingegen fühlen sie sich mit jedem Menschen, der irgendwann wieder zur Tür hinausgeht. Wenn zu diesem unkontrollierten Patchwork-Szenario dann noch Geschwisterkinder hinzukommen, ist die Überforderung perfekt. Aber auch ein häufiger Wohnungs-, Orts- und Schulwechsel ist keine einfache Angelegenheit für eine junge Psyche. Im besten Fall fällt es diesen hin- und hergerissenen Kindern später schwer, Vertrauen zu fassen und an andere Menschen zu glauben. Im schlechtesten Fall gewinnt die dunkle Seite und sie entwickeln psychopathologische Züge.

Kindheit gut, alles gut?

Nein, so einfach ist die Theorie dann leider doch nicht. Man könnte sie höchstens in abgeschwächter Form unterschreiben, nämlich: Kindheit gut, alles besser. Das Problem bei der Erforschung psychopathologischer Züge ist zum einen natürlich die Datenlage. Die wenigsten dunklen Charaktere sind einfache oder bereitwillige Studienobjekte, abgesehen von den Narzissten vielleicht. Diese erkennt man, indem man sie einfach danach fragt, ob sie Narzissten sind. In der Mehrheit der Fälle werden sie diese Frage frisch von der Leber weg mit einem deutlichen und vor Stolz triefenden „Ja“ beantworten. Psychopathen und Machiavellisten sind da schon schwerer zu enttarnen und vor allem zu kategorisieren. Die menschliche Psyche ist ein weites Land. Jeder Mensch trägt gute und weniger gute Charaktereigenschaften in sich. Welche Seite die Oberhand gewinnt, entscheidet nicht nur die Kindheit. In Wahrheit macht uns wahrscheinlich das Leben zu den Menschen, die wir irgendwann einmal sind. Begleitet werden wir dabei von unserem freien Willen und unserem Verstand. Diese beiden Verbündeten im Kampf gegen das Böse bleiben uns immer, selbst wenn wir wirklich kein Herz mehr besitzen und unsere Seele irgendwann an den Teufel verkauft haben sollten.