Magische Anziehungskraft mit schwerwiegenden Folgen
So charmant es manchmal auch sein mag, wenn Gegensätze sich anziehen und zu Beziehungen führen, so schwierig wird es, wenn zwei komplett diametrale Charakterzüge den Weg zueinander finden. Eine stabile und erfüllende Partnerschaft beruht auf Respekt, Augenhöhe und einem Geben und Nehmen. Letzteres tritt zwischen Empathen und Narzissten in den Mittelpunkt ihrer Beziehung. Allerdings dergestalt, dass Empathen Geber sind und Narzissten sich ausschließlich auf das Nehmen beschränken. Die Gefühle und Bedürfnisse von Partnerin oder Partner sollten immer mindestens gleich wichtig sein wie die eigenen. Diese beiden Personengruppen hingegen operieren am jeweils entgegengesetzten Ende der emotionalen Fahnenstange. Der Empath ist ausgesprochen mitfühlend und sensibel, kann sich in Sekundenschnelle in die Gefühlslage von Menschen hineinversetzen und würde für seine Lieben alles geben. Sein komplettes Gegenteil ist der Narzisst. Ihm sind Gefühle fremd, die von anderen Menschen werden total ausgeblendet und interessieren ihn nicht im mindesten. Er ist manipulativ, selbstherrlich und will neben der totalen Kontrolle auch ständig im Mittelpunkt stehen. Für ihn gilt: Bist du nicht für ihn, bist du gegen ihn. Wenn diese beiden Persönlichkeiten aufeinandertreffen, ist nicht selten eine enorme spontane Anziehungskraft im Spiel. Sie sind auch theoretisch wie füreinander geschaffen und würden einander im Grunde perfekt ergänzen. Dennoch bedeutet eine solche Beziehung für den Empathen häufig einen Schrecken ohne Ende, auch wenn die Anfänge in rosarote Watte gepackt sind und sich unter einem Himmel voller Geigen abspielen. Wo also liegt nun das Problem?
Wie „ticken“ Empathen?
Empathen sind hochsensible Menschen, die ein Übermaß an Verständnis, Liebe und Bewunderung in sich tragen, das sie bereitwillig verschenken und in die Welt hinaustragen möchten. Sie nehmen die Emotionen ihres Umfeldes deutlich und ausgesprochen mitfühlend wahr. Darüber hinaus wurden sie auch mit der wunderbaren Gabe bedacht, in Echtzeit mit den Gedanken und Gefühlen einer anderen Person in Verbindung zu treten. Wer eine/n Empathin als Partnerin gewinnen kann, hat eigentlich das große Los gezogen. Das gilt leider auch für jene Charaktere, die am exakt entgegengesetzten Ende der Empathie-Achse operieren:
Wie „ticken“ Narzissten?
Auf den ersten Blick sind sie charmant, charismatisch, großzügig und einfach unwiderstehlich. Ein Narzisst betrachtet das ganze Leben als einzige Bühne, deren frenetisch umjubelter Hauptdarsteller er ist. Narzissten halten gern die Fäden in der Hand und können schnell wütend oder sogar aggressiv werden, wenn die Dinge nicht so laufen, wie ihr überdimensionales Ego sie gerne hätte. Sie bedienen sich an ihren Mitmenschen wie an einem Selbstbedienungsbuffet. Empathie ist ihnen völlig fremd. Wie es ihrem Umfeld geht oder welche Auswirkungen ihre Winkelzüge auf ihre Mitmenschen haben, interessiert sie keine Sekunde lang.
Wenn ein Empath und ein Narzisst sich verlieben
Meistens funkt es zwischen ihnen in Sekundenschnelle. Es ist, als ob sich die sprichwörtlichen Hälften einer Münze jahrelang magnetisch angezogen und endlich zueinander gefunden haben. Der Empath schwebt im siebten Himmel und fühlt sich am Ziel seiner Partnersuche. Der Narzisst hingegen verliebt sich nicht in einen Menschen. Er genießt das Gefühl, mit jemandem zusammen zu sein, der komplett auf seine eigenen Bedürfnisse verzichtet und sein Leben zu 100 Prozent nach seinen Wünschen ausrichtet. Manche Narzissten öffnen die Türen zu ihren düsteren Gewohnheiten gleich zu Beginn. Oder sie verharmlosen ihren Charakter, indem sie etwa Allgemeinplätze von sich geben wie „Ich weiß, ich bin schwierig.“ Für den Empathen ist dies leider eine gute Nachricht. Denn endlich kann sie oder er sich voller Mitgefühl und Engagement einer verlorenen Seele widmen, um sie zu retten. Für Empathen ist die Aussicht, sich voll und ganz in den Dienst eines (geliebten) Menschen zu stellen, unwiderstehlich. Und zu Beginn der Beziehung wird der Narzisst sich auch noch überwiegend von seiner charmanten Seite zeigen. Dieser Typus neigt dazu, ganz großes Kino aufzufahren und seine Angebeteten mit Komplimenten, Liebesschwüren, Geschenken und romantischen Überraschungen zu überhäufen. Die Empathen wissen häufig vor lauter Glück und Überwältigung nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht. Leider übersehen sie so auch die ersten Warnhinweise, die schon recht bald am Horizont auftauchen.
Erste Warnhinweise treten in Erscheinung
Empathen sind loyal in ihren Beziehungen. Leider kann diese Loyalität Dimensionen annehmen, die sie nicht erkennen lassen, wann es Zeit für eine kritische Überprüfung der Lage ist. Und kritisch wird es mit einem Narzissten eher früher als später. Folgende Umstände sollten den Empathen ganz dringend zu denken geben:
a) Diktatur statt Demokratie
Eine Beziehung mit einem Narzissten wird niemals eine gleichberechtigte sein. Sie geben den Ton an und entscheiden von Anfang an. Narzissen respektieren auch keine Grenzen. Sie sind psychisch und emotional und natürlich auch körperlich auf Übergriffe programmiert. Der ideale Zeitpunkt für ein Erwachen wäre demnach die erste Übertretung einer persönlichen Grenze.
b) Familie und Freundeskreis werden stummgeschaltet
Außenstehende sehen meist schneller, wenn ein Mensch keine durch und durch ehrlichen Absichten hegt. Sie werden versuchen, den Empathen zu warnen oder ihn zumindest bitten, es langsam angehen zu lassen. Sobald der Narzisst Wind von solchen Tendenzen bekommt, wird er alles daransetzen, diesen Kontakt zu unterbinden.
c) Die Stimmung kippt immer öfter
Zu Beginn verhalten sich manche Narzissten noch charmant und liebenswürdig. Dieses „Getue“ wird ihnen jedoch schon bald zu mühsam, und ihr wahres Ich kommt zum Vorschein. Zu diesem gehört leider auch ein launenhaftes Auftreten ihren Partner*innen gegenüber. Sie verlieren immer schneller die Beherrschung, das Zusammenleben mit ihnen wird zu einem Tanz auf rohen Eiern.
d) Der Empath beginnt an seinem Verstand zu zweifeln
Narzissten bedienen sich mit Vorliebe der Taktik des „Gaslightings“. Diese Psychospielchen haben ihren Namen von dem gleichnamigen Theaterstück von Patrick Hamilton aus dem Jahr 1938, in welchem die weibliche Hauptdarstellerin von ihrem Ehemann sukzessive an den Rand des Wahnsinns getrieben wird. Das funktioniert, indem Narzissten ihren Opfern Vorfälle einreden, die nie oder ganz anders passiert sind, die Tatsachen verdrehen bis zur Unkenntlichkeit und sie bewusst und systematisch an ihrem Verstand zweifeln lassen. Die Empathen werden so immer stärker verunsichert und ziehen sich zurück. Der Narzisst rückt in der Folge immer noch deutlicher in die zentrale Rolle ihrer einzigen Bezugsperson.
Wie enden Beziehungen zwischen Empathen und Narzissten?
Angesichts der bekannten Faktenlage ist es nicht überraschend, dass diese Konstrukte für die Empathen niemals mit einem Happy End aufwarten können. Im Idealfalls erkennen sie früher oder später, welchen Abwärtstrend diese Beziehung nehmen wird und können sich aus eigener Kraft befreien. Meistens verliert der Narzisst irgendwann das Interesse an dieser Besetzung für seine Show und lässt den Empathen fallen wie die sprichwörtliche heiße Kartoffel. Diese Variante ist besonders schlimm, weil sich die Partner*innen ewig fragen werden, was sie falsch gemacht haben. Sie ahnen dabei nicht, dass sie eigentlich großes Glück hatten, diesem emotionalen Spinnennetz noch rechtzeitig entkommen zu sein. Denn: Die schlimmste Version für den Empathen ist eine gelungene Beziehung mit dem Narzissten. Gelungen bedeutet hier nämlich, dass sich für die manipulative Seite dieser Medaille alles zum Besten entwickelt und gar nicht besser laufen könnte. Der Empath fügt sich perfekt ins vorgezeichnete Bild und gibt die ideale Partnerin/den idealen Partner ab, der alle Bedürfnisse des Narzissten lebenslänglich zu erfüllen bereit ist.