3 Gefühle, die du nicht mit Liebe verwechseln solltest

Liebe oder lieber nicht?

Seit wir Menschen dazu in Lage sind, unsere Gefühle zum Ausdruck bringen zu können, treibt uns eine zentrale Frage um und manchmal auch an den Rand des Wahnsinns: Was ist Liebe? Die Frage taucht auch in Varianten auf: Wann ist es Liebe? Und: Warum kann es keine Liebe sein? Musik, Dichtung und die bildenden Künste wären nicht dasselbe, würde das mächtigste Gefühl der Welt uns nicht antreiben und uns mit allen Sinnen, Haut und Haar und bis zur sprichwörtlichen Ekstase beschäftigen. Die klügsten Köpfe sämtlicher Kulturkreise durch die Jahrhunderte hindurch haben sich mit dem Thema Liebe beschäftigt. Auch die Philosophen sind im 21. Jahrhundert noch keinen entscheidenden Schritt weiter. Es sei denn, man gibt sich mit der Umschreibung von Richard David Precht zufrieden und attestiert der Liebe, ein „unordentliches Gefühl“ zu sein. Tatsächlich dauert es der modernen Wissenschaft zufolge nur wenige Sekunden, sich in jemanden zu verlieben. Sie oder ihn zu lieben ist dann allerdings nicht zwangsläufig die Folge davon. Was wir für Liebe halten, ist häufig nur Wunschdenken, das mit einer romantischen, aber leider völlig an der Realität vorbeiziehenden Vorstellung einer Zweierbeziehung nichts gemein hat. Manchmal sind wir gefühlstechnisch aber auch einfach nur auf dem Holzweg. Wir verwechseln andere Bedürfnisse, die unsere neueste Flamme perfekt erfüllt, mit Liebe. Die drei häufigsten Irrläufer in Sachen große Gefühle, die manchmal mit Liebe verwechselt werden, stellen wir dir hier vor:

1. Das Bedürfnis nach Stabilität und Sicherheit

Die Liebe ist im Idealfall ein sicherer Hafen für beide Partnerinnen. Eine starke Schulter zum Anlehnen, eine helfende Hand, die immer zum Greifen nahe ist und Rückendeckung in stürmischen Zeiten: Nichts weniger wünschen und ersehnen wir uns. Daher ist es nur logisch, dass wir das Gefühl von Sicherheit, das ein anderer Mensch uns vermittelt, mit Liebe verwechseln. Solange die Beziehung passt und beide Seiten glücklich sind, spricht auch nichts dagegen. Auch wenn man streng genommen gefühlsmäßig die falsche Ausfahrt genommen hat, kann dieser Weg trotzdem für beide Seiten der Beginn einer schönen gemeinsamen Reise sein. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts war die romantische Liebesbeziehung ohnehin ein Mythos und bestenfalls eine fiktive Geschichte, die „Schundromanen“ entliehen war, die ausnahmslos unter dem Ladentisch verkauft wurden. Ehe und Familie hatten die Hauptaufgabe, Sicherheit und Stabilität zu bieten, und das für beide Seiten. Nicht alle diese Zweckehen waren glücklich, und die Scheidung war zu dieser Zeit ohnehin noch verpönt oder rechtlich nicht leicht durchzusetzen. Aber der Großteil dieser Verbindungen funktionierte und lieferte beiden Partnerinnen eben genau das: ein Gefühl von Sicherheit. Somit ist es also nicht verwunderlich, dass uns dieses Bedürfnis immer noch stark antreibt und prägt, wenn wir auf Partner*innensuche sind. Sich nach einem Menschen zu sehnen, der uns die sichere Burg im rauen Alltag bieten kann, ist nicht falsch. Nur Liebe ist es eben nicht.

2. Jemanden besitzen zu wollen

Liebe und Kontrolle sind zwei Mächte, die gerne verwechselt werden, aber auch oft Hand in Hand einhergehen. Beziehungen sind im Idealfall ein Balanceakt, in welchem beide Partner*innen auf Augenhöhe miteinander agieren. Dennoch gibt es Menschen, die immer mehr Macht anstreben als andere. Dies führt sogar so weit, dass sie Menschen unbedingt für sich haben wollen, an denen sie streng genommen gar kein romantisches, ja nicht einmal ein erotisches Interesse haben. Wie kommt das? Es ist seit Kindertagen das gleiche Spiel: Jemand anders findet sie oder ihn unwiderstehlich, scheitert jedoch mit seinen Annäherungsversuchen. Wettkampferprobte Menschen, die keine Gelegenheit auslassen können, um zu beweisen, dass sie besser sind als alle anderen, sehen dann schon die Spiele eröffnet. Sie machen sich auf die Jagd nach dem Objekt der Begierde und geben erst Ruhe, wenn die Beute erfolgreich erlegt ist. Nach diesem Erfolgserlebnis verlieren sie allerdings rasch das Interesse daran. Dieses Haben-wollen ist ein Phänomen, das viele Menschen immer wieder umtreibt und sie kaum zur Ruhe kommen lässt. Welche psychologischen Aspekte hinter diesem Sandkasten-Verhalten stecken, ist nach dem Gießkannen-Prinzip nicht zu erklären. Tatsache ist jedoch, dass diese Menschen selten Beziehungen eingehen können, die sie auf Dauer glücklich machen und erfüllen. Besonders schmerzhaft ist natürlich auch der Kollateralschaden, den sie bei ihren ahnungslosen „Opfern“ anrichten. Diese wissen meist nicht, wie ihnen geschieht, zumal die Phase des Umwerbens häufig recht intensiv und filmreif nach allen Regeln der Verführungskunst gestaltet wird. Danach plötzlich fallen gelassen zu werden, wie die sprichwörtliche heiße Kartoffel, hat niemand verdient. Und mit Liebe hat dieses Verhalten schon gar nichts zu tun.

3. Lust und Leidenschaft

Sie sind zwei Elemente, ohne die die Liebe auf Dauer wohl keinen Bestand hätte. Allerdings sind sie nicht die einzigen Säulen, auf denen eine romantische Beziehung aufgebaut ist. Sie sollten wahrscheinlich nicht einmal den Mittelpunkt bilden. Doch der Reihe nach: Studien konnten inzwischen eindrucksvoll beweisen, dass wir uns innerhalb von nur wenigen Sekunden körperlich zu einem anderen Menschen hingezogen fühlen können. Eine Rolle spielen dabei unser Geruchssinn, unser Gehör und so einige antrainierte und vorgelebte Verhaltensmuster aus unserer Kindheit. Nach 10 Minuten Körperkontakt mit einem anderen Menschen beginnt unser Stoffwechsel das Bindungshormon Oxytocin auszuschütten. Dieses trägt diesen Namen nicht von ungefähr. Wir fühlen uns einem bis dato völlig fremden Menschen nach nur kurzer körperlicher Intimität schon so nahe, dass wir ohne sie oder ihn nicht mehr sein möchten. Dieser Mechanismus ist übrigens auch der Grund, warum so vielen gescheiterten Beziehungen eine längere erotische Durststrecke vorausgeht. Doch sie scheitern im Endeffekt nicht, weil die große Leidenschaft nicht mehr vorhanden ist, sondern weil das Bindungshormon Oxytocin keine Gelegenheit mehr bekommt, unseren Körper zu überschwemmen und uns eine enge Bindung an Partnerin oder Partner zu signalisieren. Lust und Leidenschaft sind im Wesentlichen also biochemische Prozesse innerhalb unseres Körpers. Sie können aber ein guter Anfang sein: So manche Beziehung hat ihren Ursprung tatsächlich in einem leidenschaftlichen One-Night-Stand oder einer lustvollen Affäre. Mit Liebe in der gleichen Liga spielen diese Gefühle jedoch nicht einmal ansatzweise.

Aber Liebe ist es nicht

Was ist nun Liebe? Diese Frage wird uns Menschen wohl noch eine Zeit lang beschäftigen. Leichter wird die Sache auch deshalb nicht, weil es so viele Formen davon gibt. Die Liebe einer Mutter für ihr Kind zum Beispiel, die Liebe zu Musik oder Kunst, die uns erfüllen und zu emotionalen Höhenflügen antreiben kann. Die Liebe zwischen zwei alten Menschen, die den Großteil ihres Lebens miteinander verbracht haben und sich immer noch gut leiden können. Ist die Liebe eine Himmelsmacht? Wahrscheinlich schon. Das wäre immerhin eine plausible Erklärung dafür, warum wir Menschen sie mit unserem Verstand nicht begreifen und mit unserem Wortschatz nicht erklären können. In Beziehungen ist sie letztendlich das Band, das uns zusammenhält und uns gemeinsam Höhen und Tiefen überstehen lässt. Sie ist nicht unverwundbar, und es gibt keine Garantie für sie. Wer sich unter Liebe allerdings große Gesten und weltbewegende Szenen vorstellt, wird enttäuscht werden. Wie alle großen Mächte operiert sie gern im Stillen. Sie lebt von Dankbarkeit und Respekt und vor allem von der Wertschätzung, die wir ihrer Existenz in unserem Leben jeden Tag aufs Neue entgegenbringen.