Was unsere innere Uhr verrät
Wir Menschen bestehen aus Körper, Geist und Seele. Alle drei Faktoren sind essenziell dafür, dass wir bei guter Gesundheit bleiben. Wir sind – jedenfalls die meisten von uns – am Tag aktiv und nutzen die Nacht als Ruhezeit für die körperliche und seelische Regeneration. Unser Schlaf sollte uns heilig sein. Er leistet viel mehr für uns als nur die reine Erholung. Unser gesamter Organismus wird praktisch neu gestartet und das bis in die kleinste Zelle. Schichtarbeiter*innen oder frisch gebackene Eltern können ein Lied davon singen, welche Auswirkungen längerer Schlafentzug auf ihr Wohlbefinden und ihre Leistungsfähigkeit hat. Umso ärgerlich ist es, wenn wir theoretisch über ideale Bedingungen verfügen würden, um sieben bis acht Stunden wundervollen Schlaf am Stück genießen zu dürfen. Praktisch jedoch gibt es anscheinend etwas, das uns immer wieder aufwachen lässt. Wenn es nicht gerade die leidenschaftlichen Nachbarn oder nachtaktive Teenager mit unbegrenztem Internet-Zugang sind, müssen wir die Gründe dafür wohl ober übel woanders suchen. Hilfreich zum Beispiel ist die Uhrzeit, zu der wir regelmäßig nachts aufwachen. Sie kann ein entscheidender Indikator auf dem Weg Richtung Ursachenforschung sein. Ein wichtiger Hinweis dazu kommt aus der TCM. Die Traditionelle Chinesische Medizin geht davon aus, dass alle wichtigen Organe unseres Körpers zu bestimmten Zeiten mit besonders viel Energie versorgt werden. Diesem Zeitpunkt diametral gegenüber steht jene Uhrzeit, in welcher eine Art Energietief den Gegenpol dazu bildet. Ist dieses Organ belastet, beeinträchtigt oder muss gerade Schwerstarbeit für uns leisten, erwachen wir zu jenem Zeitpunkt, wo seine energetische Versorgung am schwächsten ist. Die wichtigsten Zusammenhänge zwischen der Uhrzeit unserer nächtlichen Unruhe und den möglichen dazugehörigen Ursachen möchten wir dir hier daher kurz vorstellen:
1. Einschlafstörungen zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr
Gerade die wertvollen Stunden vor Mitternacht liefern uns jenen Schlaf, den wir in dieser Qualität unbedingt benötigen. Wer sich in bester Absicht rechtzeitig ins Bett begibt und dann trotzdem nur wach liegt und an die Decke starrt, hat gleich mehrere Möglichkeiten zur Auswahl, denen er auf den Grund gehen kann. Das Blaulicht der Displays von Smartphone, Laptop und Co. signalisiert unserem Gehirn Tageslicht. Wer also bis unmittelbar vor dem Zubettgehen scrollt, surft oder löblicherweise auch am Bildschirm arbeitet, tut seiner Nachtruhe nichts Gutes damit. Aus Sicht der TCM könnte den Einschlafproblemen in diesem Zeitfenster jedoch auch noch eine andere Ursache zugrunde liegen. Zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr aktiviert sich in unserem Körper der sogenannte „Dreifacherwärmer“. Dieser Meridian ist zuständig – man ahnt es schon – für unsere Wärmeregulierung. Er verläuft von unserem Ringfinger über die Schulterpartie bis hin zu unserem Schläfenbein. Ist sein Energiefluss gestört, zeigt sich diese Unterbrechung unseres Qui mit Einschlafstörungen. Am besten unterstützen wir unseren „Dreifacherwärmer“, indem wir zwei Stunden vor dem geplanten Zubettgehen das Licht dimmen und keine anstrengenden Aktivitäten wie Sport oder hoch konzentriertes Arbeiten mehr ausführen.
2. Schlafstörungen zwischen 23:00 Uhr und 1:00 Uhr
In dieser Zeit hat unsere Gallenblase mit einem Energie-Einbruch zu kämpfen. Sie meldet sich dann zu Wort, wenn wir sie mit übermäßig großen Portionen oder zu fetten Speisen als Abendessen herausgefordert haben. Das Entgiftungsorgan unseres Körpers leistet an sich schon täglich Schwerstarbeit für uns. Wir können ihm ein wenig unter die Arme greifen, indem wir Alkohol und Nikotin reduzieren, und die Nacht nicht öfter als unbedingt nötig zum Tag machen. Und auch die Redewendung „Gift und Galle spucken“ kommt natürlich nicht von ungefähr. Die Emotionen Zorn und Wut sind gemäß den Lehren der TCM untrennbar mit der Aktivität unserer Gallenblase verknüpft. Mit Ärger im Gepäck und der sprichwörtlichen Wut im Bauch zu Bett zu gehen, schadet also nicht nur unserem Seelenfrieden und unserer Nachtruhe, sondern auch unserer Gallenblase.
3. Aufwachphasen zwischen 1:00 Uhr und 3:00 Uhr
Auf die Gallenblase folgt die Leber. Sie erleidet ihren Energie-Abfall zwischen 1:00 Uhr und 3:00 Uhr morgens. Geht’s der Leber schlecht, wachen wir in diesem Zeitfenster bevorzugt auf. Auch für sie gilt: Je besser wir sie tagsüber behandeln, desto ruhiger lässt sie uns nachts schlafen. Aus emotionaler Perspektive betrachtet ist sie eng mit anstehenden Veränderungen bzw. der Angst vor solchen verknüpft. Manchmal läuft uns auch eine Laus über die Leber, wenn uns etwas nicht in den Kram passt. Sie erinnert uns mit ihren nächtlichen Eskapaden daran, uns besser abzugrenzen und nicht alles mit ins Bett zu nehmen, was uns am Tag an Ärgernissen widerfahren ist.
4. Regelmäßiges Aufwachen zwischen 3:00 Uhr und 5:00 Uhr
Die Leber löst unsere Lunge souverän ab. Ein unfreiwilliges Erwachen zwischen 3:00 Uhr und 5:00 Uhr morgens deutet darauf hin, dass wir nicht so unbeschwert und frei durchatmen können, wie es tagsüber den Anschein hat. Die Lunge hat neben dem Atmen natürlich auch noch viele andere Funktionen. Sie transportiert den Sauerstoff in unsere Blutbahnen und sorgt dafür, dass alle Körperteile bis auf Zellebene einwandfrei funktionieren können. Was unser Gefühlsleben betrifft, so hat die Lunge laut TCM ein schweres Los gezogen. Sie repräsentiert Trauer und Kummer, die wir nicht oder nicht gut bewältigen können. Unterstützen können wir die Lunge mit viel frischer Luft im Schlafzimmer. Wer es aushalten kann und in einer ruhigen Gegend wohnt, schläft am besten bei offenem Fenster.
5. Vorzeitiges Ende der Nachtruhe zwischen 5:00 Uhr und 7:00 Uhr
Wenn wir zu dieser Zeit erwachen, ist dieser Umstand bei sehr vielen Menschen dem gestellten und voll funktionstüchtigen Wecker geschuldet. Die meisten Tage beginnen – zumindest unter der Woche – irgendwann zwischen 5:00 Uhr und 7:00 Uhr. Ist das Aufwachen eher unfreiwillig, meldet sich möglicherweise der Dickdarm mit einem Hilferuf zu Wort. Seine körperliche Funktion ist das Verdauen und Reinigen. Emotional und psychisch steht er für die Ambivalenz zwischen dem Loslassen und dem Festhalten an Menschen, Situationen und Dingen. Verstopfung am Morgen kann ebenfalls darauf hinweisen, dass er unsere Unterstützung benötigt. Ein Glas lauwarmes Wasser auf nüchternen Magen getrunken, reicht diesem anspruchslosen Organ dafür völlig.
Mit Rhythmus und Routine gegensteuern
Natürlich funktioniert unser Körper nicht wie ein Uhrwerk, nicht einmal wie jenes, das die jahrtausendealte Kunst der TCM uns lehrt. Doch solche traditionellen Lehren sollten wir niemals geringschätzen. Sie haben definitiv ihre Daseinsberechtigung, was auch die moderne Schulmedizin nicht mehr leugnen kann. Ein qualitätvoller Schlaf ist etwas, das wir uns selbst täglich verschreiben können. Von Schlafmitteln hingegen ist dringend abzuraten. Sie bringen unseren Schlaf-Wach-Rhythmus endgültig aus dem Konzept. Der ultimative Geheimtipp für selige Nachtruhe aber ist ein strenger und immer gleichbleibender Takt, nach dem wir sieben Tage die Woche zu Bett gehen und aufstehen. Ein möglichst vollständig abgedunkeltes Zimmer ohne unnötige elektronische Geräte gewährt ebenfalls beste Voraussetzungen für eine traumhafte Nacht. Bettwäsche und Schlaftextilien aus Naturfasern wie Baumwolle oder Seide sind echte Geheimwaffen für guten Schlaf. Wer experimentierfreudig ist, versucht ein paar Tage Intervallfasten durchzuhalten. Wir können unserem Körper fast keine größere Freude bereiten, als abends nichts zu essen. Das Verdauungsfeuer, das er sich so ersparen kann, ist nämlich auch ein Faktor, der uns aus Morpheus‘ Armen fernhält.