Warum kluge Menschen am liebsten Zeit alleine verbringen

Lieber allein als in schlechter Gesellschaft

Diesen Grundsatz kannten schon unsere Großeltern. Wer gut und gern mit sich allein sein kann, tut dies aus freien Stücken, nicht aus Mangel an Alternativen. Eine bewusste Entscheidung ist die Abkehr von den Massen vielfach allerdings nicht. Die Gabe, uns selbst genug zu sein, wird den meisten von uns bereits in die Wiege gelegt. Einzelgänger*innen müssen übrigens niemandem leidtun: Allein zu sein bedeutet nicht zwangsläufig, sich einsam zu fühlen, im Gegenteil. Die Solisten auf der Bühne des Lebens entwickeln gerade durch ihren Lebensstil ganz ungeahnte Fähigkeiten und Stärken, von denen viele gesellige Menschen nur träumen können. 

1. Für sich zu sein stärkt das Selbstbewusstsein

Kaum eine Erfahrung beflügelt uns mehr als das Wissen, „es“ aus eigenem Antrieb und gänzlich ohne fremde Hilfe schaffen zu können. Das Leben mit sich selbst im Einklang stellt einen täglich vor unzählige kleine Aufgaben, für deren Bewältigung man nicht auf fremde Hilfe zurückgreifen kann. Diesen Modus eignen wir uns irgendwann ganz automatisch für alle Lebenslagen an. Kommen, sehen und siegen ist für passionierte Einzelgänger*innen ein leichtes Spiel. Sie kennen nämlich kein anderes. Unnötig zu erwähnen, dass man sich dabei auch automatisch Fähigkeiten selbst aneignet, die man in der Gemeinschaft wohl niemals (freiwillig) erlernt hätte. Unser Wissen und unsere Talente profitieren enorm von dieser Tatsache. 

2. Alleinsein fördert die Produktivität

Wer keine Ablenkung durch andere Menschen erfährt, kann sich automatisch besser auf sich und seine Tätigkeiten konzentrieren. Egal, ob Home Office oder Hausarbeit, Hobby oder Ehrenamt: In Ruhe und Abgeschiedenheit zufrieden vor sich hin arbeiten zu können, liefert unterm Strich schnellere und bessere Ergebnisse. Wer hier jedoch Produktivität mit Ablenkung vom „Alleinsein“ verwechselt, irrt übrigens. Die moderne Psychologie unterscheidet sehr genau zwischen Kompensationshandlungen und Betätigungen, die wir aus freien Stücken und als durch und durch zufriedene Menschen vornehmen. 

3. Unsere Kreativität kann sich entfalten

Ähnliches wie für die Produktivität gilt auch für unser kreatives Schaffen. Wer einem künstlerischen Hobby nachgeht, kann dies in aller Abgeschiedenheit mühelos zur Perfektion bringen. Kreativität kann sich bei Menschen, die viel Zeit mit sich verbringen dürfen, aber auch in ganz alltäglichen Dingen zeigen. In Ruhe nach Lösungen für ganz pragmatische Fragen des Alltags suchen zu können, öffnet ungeahntem Potenzial in uns Tür und Tor. Sich neu zu organisieren, längst fällige Platzfragen in der Wohnung zufriedenstellend zu lösen oder das alljährliche Topfpflanzen-Dilemma am Fensterbrett ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen, bedarf gleichfalls einem gewissen Maß an Vorstellungskraft und Fantasie. Das Beste daran: Es darf gescheitert werden! Niemand wird es nämlich mitbekommen, wenn Idee A oder Geistesblitz B sich leider als gedankliche Rohrkrepierer erwiesen haben. Alles auf Anfang und neuen, hoffnungsvollen Einfällen eine Chance geben lautet die Devise. 

4. Alleinsein macht den Kopf frei

Wer tagtäglich der Hektik anderer ausgesetzt ist, sich ihre Probleme anhören oder diese vielleicht sogar noch für sie lösen muss, kann sich nicht auf sich selbst konzentrieren. Andere Menschen stressen uns − ob sie es wollen, oder nicht. Tageweise keine Minute für sich beanspruchen zu können, macht auf Dauer krank. Nicht nur unsere Psyche leidet unter diesem Dauerbeschuss von außen, auch körperliche Symptome wie Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit manifestieren sich dadurch. Schließt sich jedoch die Tür zur Außenwelt, fällt sämtlicher Ballast augenblicklich von uns ab. Die Stille fungiert wie ein Vakuum, das das Gedankenkarussell in unserem Kopf im Nu zum Stillstand bringt. Die zahlreichen Impulse von außen, die unser Gehirn leider beständig aufsaugt wie ein Schwamm, verstummen mit der Zeit. Unsere eigenen Gedanken dürfen wieder Raum für sich beanspruchen. Indem wir sie ordnen und einiges davon auch gleich ad acta legen, kehrt Ruhe ein in unserem Kopf. 

5. Qualitätszeit löst Probleme 

Dieser Vorteil des Alleinseins ist der Summe einiger anderer bisher beschriebener geschuldet. Problemlösungskompetenz setzt einen freien Kopf und ein gewisses Maß an Kreativität voraus. In Ruhe über eine Sache nachdenken zu können, ist meist schon der halbe Weg in Richtung Lösung. Menschen, die viel Zeit allein verbringen, sind hier klar im Vorteil. Wer nicht ständig auf das hören muss, was andere von sich geben, kann den eigenen Bedürfnissen mehr Raum und höhere Priorität einräumen. So manche verzwickt erscheinende Situation löst sich bei einem Walspaziergang oder einem Glas Wein am Balkon wie von Zauberhand von selbst. Der Umkehrschluss ist hier übrigens auch zulässig: Wer weniger Kontakt mit Menschen hat, sieht sich ganz automatisch mit weniger Problemen konfrontiert. 

6. Wer allein ist, kommt schneller „in die Gänge“

Wie schön wäre es manchmal, für jede Widrigkeit des Alltags einen dienstbaren Geist zu haben? Ein Fingerschnippen, und jeder Wunsch ist uns gewährt. Märchen können grausam sein. Vor allem, wenn die Realität so ganz anders aussieht. Wer allein lebt, kann sich Diskussionen um Hausarbeit und ähnliches getrost schenken. Wenn niemand da ist, der die Dinge für einen erledigt, wird man es wohl oder über selbst tun müssen. Irgendwann erkennt man auch, dass es absolut Sinn macht, Unangenehmes sofort zu tun, da es durch Aufschieben selten bis niemals besser wird. Diese Erkenntnis steigert nicht nur unsere Effizienz. Sie wirkt sich auch wiederum positiv auf die Bereiche Produktivität und Kreativität aus. 

7. Zeit allein mindert Stress

Eigentlich logisch, aber als Mehrwert kaum hoch genug zu beziffern. Dass Stille und innere Ruhe unsere Vitalwerte positiv beeinflussen, ist wissenschaftlich erwiesen. Blutdruck, Herzfrequenz und Puls pendeln sich auf einen angenehmen Level ein. Unser Körper stellt die Produktion der Stresshormone Adrenalin und Dopamin ein, und wir können uns im wahrsten Sinne des Wortes entspannen. Wer auf der Suche nach maximaler Entspannung bei minimalem Aufwand ist: Der Aufenthalt im Wald ist für die Balance von Körper, Geist und Seele so etwas wie eine Geheimwaffe mit Superkraftpotenzial. 

8. Alleinsein fördert unsere Unabhängigkeit

Was andere Menschen oft gar nicht gerne an uns sehen, können wir selbst uns zum Geschenk machen. Unabhängigkeit und Freiheit sind hohe Güter, die viele von uns sich erst erkämpfen müssen. Je mehr Zeit wir allein verbringen dürfen, desto stärker gehen wir aus diesen Phasen hervor. Sobald wir merken, dass wir ganz hervorragend allein zurechtkommen, produktiver, kreativer und zufriedener sind, weckt dies in uns den Wunsch nach mehr. Schönes Detail am Rande: Menschen um sich haben zu wollen ist für beide Seiten wesentlich angenehmer, als sie zu brauchen. Gerade zwischenmenschliche Beziehungen sind fragile Konstrukte, die leicht aus dem Lot geraten können. Wenn alle Beteiligten jedoch problemlos allein klarkommen, stärkt das nicht nur uns selbst, sondern auch die sozialen Bande, die wir knüpfen. Abhängigkeit und Bedürftigkeit sind keine vielversprechende Basis für ein zwischenmenschliches Miteinander auf Augenhöhe. 

Winning Team auf Lebenszeit

Alleinsein kann man lernen. Manche von uns müssen es früher oder später gezwungenermaßen, etwa wenn die Partnerin oder der Partner stirbt, die Kinder eigene Wege gehen oder das Leben uns in eine völlig neue Richtung trägt. Manchen Menschen fällt es naturgegeben leicht, sich mit sich selbst in der besten Gesellschaft von allen zu wähnen. Ein Geschenk ist es allemal, wenn man allein glücklich und zufrieden leben kann. Wer gut mit sich allein sein kann, wird niemals einsam sein.