Posttraumatische Belastungsstörung: 5 Anzeichen einer hochfunktionalen PTBS 

Perfektion als Schutzwall 

Eine posttraumatische Belastungsstörung oder kurz PTBS genannt, ist der lange und schmerzhafte Schatten, den Traumata und Tragödien nach sich ziehen können. Missbrauch, Unfälle, Katastrophen oder lange andauernde toxische Beziehungen können dieser schweren psychischen Last vorausgehen. Jeder Mensch findet im Idealfall früher oder später einen Weg, um damit umzugehen. Therapiemaßnahmen und Medikation vorausgesetzt, kann der Start in ein neues Leben aus diesem Schatten heraus durchaus gelingen. Manche Menschen entwickeln eine ganz spezielle Form, die als hochfunktionale PTBS bezeichnet wird. Der Name ist leider Programm: Die Betroffenen lernen irgendwann, dass sie ihren Schmerz am besten unter Kontrolle bringen, wenn sie sich selbst zu Höchstleistungen anspornen. Diese können beruflicher, sportlicher oder ganz allgemeiner Natur sein. Die fünf häufigsten Symptome möchten wir dir kurz vorstellen:

1. Besser, schneller, erfolgreicher sein

Es ist kaum zu glauben, aber hinter der Maske vieler extrem erfolgsorientierter Menschen verbirgt sich ein misshandeltes Kind oder eine zutiefst traumatisierte Persönlichkeit. Diese Opfer haben irgendwann erkannt, dass Ehrgeiz und konsequentes Streben nach Erfolg und Anerkennung ganz passable Möglichkeiten der Kompensation ihres Schmerzes sind. Sie schlagen mit dieser Taktik gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe, ob bewusst oder unbewusst: Zum einen lenkt sie ihr gnadenloser Erfolgsplan an den meisten Tagen ganz hervorragend von ihren Leiden ab. Sie lenken ihre gesamte Konzentration auf ihre Ziele, um ihre Ängste, Erinnerungen und all die negativen Gefühle in Schach zu halten, die bei einer posttraumatischen Belastungsstörung unweigerlich immer wieder an die Oberfläche drängen. Zum anderen schaffen sie es auf diese Weise, ihre Minderwertigkeitsgefühle und auch die Schuldfrage auszugleichen. Hochfunktionale Opfer einer PTBS therapieren sich praktisch selbst, indem sie ihr Selbstwertgefühl in ungeahnte Höhen treiben, um dem inneren Kind, das immer noch leidet, einen Lichtblick zu verschaffen. Sie inszenieren für sich die perfekte Ablenkung von den aufkeimenden Erinnerungen und Gefühlsausbrüchen. Selbstdisziplin und der schiere Überlebenswille sprechen dann aus ihnen. Sie lassen es schlichtweg nicht zu, dass das Trauma gewinnt oder mehr Macht über sie bekommt als unbedingt notwendig. Natürlich haben auch diese Menschen bessere und schlechtere Tage. Sie bestimmen aber selbst, wie sehr sie davon in ihrem Tun beeinflusst werden. Unerbittlich erklären sie das frühe Aufstehen am Morgen beispielsweise zum ersten Schritt auf ihrem Weg durch den Tag, der nicht verhandelbar ist. Auf diese Weise fordern sie ihr Trauma jeden Tag zu einem Kampf Gut gegen Böse heraus. Das Gute gewinnt meistens, wenn auch der Preis dafür ein sehr hoher ist. Außerdem bringen nicht alle Betroffenen, die unter einer PTBS leiden, diese eiserne Willenskraft und diesen Kampfgeist auf.

2. Das Wiedererleben der Ereignisse aus der Vergangenheit wird unterdrückt

Hochfunktionale Persönlichkeiten halten nach Möglichkeit alle Fäden ihres Daseins in der Hand. Erinnerungen – vor allem schlechte – sind mächtige Gegner, wenn es darum geht, eine perfekte Fassade vorzutäuschen, auch sich selbst gegenüber. Ein strikt durchgetakteter Alltag, der in kleine, leicht bewältigbare Dosen von Arbeit und Freizeit unterteilt ist, hilft diesen Menschen dabei enorm. Wer ständig im Dialog mit der Welt steht, hat kaum Zeit, den düsteren Gedankenbildern anheimzufallen, die aus der Versenkung immer wieder auftauchen. Der Preis, den diese Gedankenkontrolle mit sich bringt: ein Leben unter gesellschaftlichem Dauerbeschuss. Hochfunktionale Opfer einer PTBS sind selten oder nie mit sich und ihren Erinnerungen allein in einem Zimmer. Sie suchen die Ablenkung und brauchen diese so dringend wie Sauerstoff.

3. Nervosität und Reizbarkeit

Alle Betroffenen, die mit den Nachwehen einer posttraumatischen Belastungsstörung zu kämpfen haben, sind emotional tendenziell instabil. Zum einen sind sie stets auf der Hut nach drohender Gefahr, zum anderen kocht eine unbändige Wut in den meisten von ihnen, die mal besser, mal schlechter unter Kontrolle gehalten werden kann. Die Opfer haben natürlich jedes Recht dazu, wütend auf die Dinge zu sein, die ihnen in der Vergangenheit widerfahren sind. Die Nervosität ist in ihrem Fall eine Art Alarmsystem, das sie ständig nach potenziellen Bedrohungen Ausschau halten lässt. Der Umgang mit diesen Menschen ist alles andere als einfach. Natürlich hängen die wenigsten von ihnen ihr Schicksal an die große Glocke. Die emotionale Achterbahn, die man an ihrer Seite daher manchmal miterleben muss, ist auf Dauer schwer zu ertragen und auch nicht selbsterklärend.

4. Tendenz zum Rückzug, wenn die Erinnerung übermächtig wird

Wenn selbst eiserne Disziplin und höchste Ansprüche an das eigene Ich nicht mehr ausreichen, um die Dämonen der Vergangenheit in ihre Schranken zu weisen, treten viele Opfer einer PTBS vorübergehend den Rückzug an. Einige leiden unter depressiven Episoden, die sie tief hinunter in das dunkle Echo ihrer Erlebnisse ziehen. Die Erinnerungen übermannen sie und halten sie eine Zeit lang fest umschlungen. Aus diesem Würgegriff gibt es ohne professionelle Hilfe meist kein Entkommen mehr. Diese Talsohlen allerdings sind für hochfunktionale Personen eher die Ausnahmen. Die meisten erkennen die Anzeichen rechtzeitig und steuern gegen oder legen auf ihrem ohnehin schon anspruchsvollen Parcours noch einen Zahn zu. Denn: Stillstand bedeutet Absturz.

5. Nur keinen Stillstand zulassen

Das Rad dreht sich für hochfunktionale Opfer einer PTBS immer schneller und schneller. Wie bei jedem anderen Kick auch müssen die Dosen ständig erhöht und die Abstände zwischen den Gaben immer weiter verkürzt werden. Neben der Gier nach Erfolg und Bestätigung folgen leider nicht selten die klassischen Bewältigungsmechanismen wie Alkohol, Medikamente, Drogen oder Adrenalinkicks als ultimative Ablenkung. Negative Gedanken und schlechte Erinnerungen sind brutale Zeitgenossen, die keine Gelegenheit ungenützt verstreichen lassen, um am Horizont aufzutauchen. Die meisten Opfer von PTBS leiden aus diesem Grund auch lebenslänglich an Schlafstörungen. Dieser Tanz auf dem Vulkan mag eine Zeit lang ganz gut funktionieren. Die meisten Überlebenden von Missbrauch, Katastrophen oder anderen traumatischen Erlebnissen sind froh über jede Linderung, die sie erfahren dürfen. Bis an ihr Ende ein Leben auf der Überholspur führen zu müssen, erscheint den meisten ein geringer Preis dafür zu sein. Jeder Moment, in welchem ihre Seele Frieden finden kann und ihr Bewusstsein nicht die schrecklichen Bilder von früher wieder auferstehen lässt, ist ein kostbares Geschenk für sie. Auch hier gilt wieder: Wer ihre persönliche Geschichte nicht kennt, wird sich an ihrer Seite schwertun, egal ob beruflich oder privat. Diesen Zwang zur Perfektion und zum persönlichen Leistungsdruck ohne Pause verstehen die wenigsten Menschen. Am wenigsten fallen die hochfunktionalen PTBS-Überlebenden daher in Branchen auf, wo Ellbogentechnik und das sprichwörtliche Gehen über Leichen ohnehin zum guten Ton und zur Arbeitsmoral dazugehören. Manch einer wird sich vielleicht sogar blass vor Neid fragen, worin das Erfolgsgeheimnis dieser Menschen besteht. 

Wenn das Trauma zum Antrieb wird

Schlimme Erlebnisse zum Booster für die persönliche Weiterentwicklung zu machen, ist nicht jedem Menschen gegeben. Für einige ist der tägliche Kampf gegen aufwallende Erinnerungen einfach zu beschwerlich. Jeder Mensch „funktioniert“ anders. Angesichts eines überlebten Traumas gilt dies erst recht. Einige prominente Persönlichkeiten machten ihren Leidensweg und ihren Umgang damit dankenswerterweise öffentlich. So wurde dem Schriftsteller Thomas Bernhard von fachkundiger Seite sogar attestiert, durch das wütende und exzessive Schreiben sein Leben gerettet zu haben. Superstars wie Oprah Winfrey oder Lady Gaga berichten ähnliches über ihre düstere Motivation. Für Trauma-Opfer ist Überleben oft das einzige Ziel, auch wenn es ihnen nicht immer als erstrebenswert erscheint.