4 Arten von Introvertierten: Welche davon bist du?

Viermal anders, viermal gleich

Zu den Introvertierten zählen zu dürfen ist für die meisten Menschen keine echte Auszeichnung. Spontan bringt man die Begriffe „Sonderling“, „Eigenbrötler“ und „stille Wasser“ mit ihnen in Verbindung. Doch eigentlich meint introvertiert wörtlich übersetzt „auf das eigene Seelenleben ausgerichtet“. Menschen, die sich viel mit sich selbst beschäftigen und ihre Gedanken nicht im Sekundentakt nach außen tragen müssen, können sich tatsächlich glücklich schätzen. Sie brauchen weniger Feedback und Resonanz von anderen und können vieles im Stillen mit sich selbst ausmachen, wofür so manche Zeitgenoss*innen jedes Mal am liebsten eine Volksbefragung starten würden. Doch introvertiert ist nicht gleich introvertiert. Wir stellen dir die vier verschiedenen Arten vor, auf die sich diese besonderen Charaktere zeigen können. Vielleicht erkennst du dich in einer davon wieder.

1. Die zurückhaltenden Introvertierten 

Sie wirken auf Außenstehende immer ein wenig reserviert und bleiben gern auf Distanz. In vielfacher Hinsicht könnte man sie als die „typischen“ Introvertierten bezeichnen, auch wenn diese Übersicht eigentlich genau das Gegenteil beweisen soll. Die Zurückhaltenden wirken immer ein wenig ausgebremst, so als ob sie mit angezogener Handbremse losstarten wollten. Ihre ersten Schritte sind immer zögerlich, und es dauert eine Weile, bis sie ihre Flughöhe erreicht haben und sprichwörtlich in die Gänge kommen. Warum manche Menschen für alles, was sie im Leben tun, eine längere Aufwärmphase oder Vorlaufzeit benötigen als andere, ist unbekannt. Wahrscheinlich funktionieren weder unsere Körper noch unsere Gehirne wie perfekt geölte Maschinen, denen statt eines Herzens ein Präzisionsuhrwerk innewohnt. Allerdings kann ihr langsamer Start bei sämtlichen Aktivitäten auch ein Hinweis darauf sein, dass sie im Unterbewusstsein bereits an die Konsequenzen jeder ihrer Handlungen denken. Zurückhaltung ist im Prinzip ja eine gute Sache. Schützt sie doch zuverlässig davor, uns allzu unbedacht in neue Unternehmungen mit ungewissem Ausgang zu stürzen.

2. Die ängstlichen Introvertierten

Auch Angst kann eine Rolle dabei spielen, wenn ein Mensch nicht ohne Vorbehalte das Bad in der Menge genießen kann. Hier spielen oft schlechte Erfahrungen und Vertrauensbrüche eine Rolle. Aber auch mangelndes Selbstbewusstsein und ein generelles Gefühl der Hilflosigkeit im Gespräch mit anderen Menschen können dem selbstgewählten Rückzug in diesem Fall zugrunde liegen. Einige Introvertierte haben schlichtweg auch nie gelernt, wie sie aus ihrem Schneckenhaus heraus Konversation betreiben können, ohne gleich allzu weit über ihren Schatten springen zu müssen. Die Angst vor Zurückweisung ist omnipräsent. Aber auch die Furcht vor einer Blamage oder einer peinlichen Stille lässt sie davor zurückschrecken, das gesellschaftliche Parkett öfter als unbedingt notwendig zu betreten. Einige Personen dieser besonderen Gruppe haben aber auch einfach nur die selbstgewählte Ruhe zu schätzen gelernt. Sie haben vielleicht tatsächlich schlechte Erfahrungen mit ihren Mitmenschen machen müssen, konnten diese aber letztendlich als Lerneffekte verbuchen. Vergessen haben sie diese Verletzungen natürlich nicht. Die Erinnerung daran macht es ihnen aber leichter, ihr Leben als moderne Einsiedler*innen nach eigenem Ermessen zu gestalten und natürlich auch zu genießen. Es war wahrscheinlich eher befreiend als belastend für sie zu erkennen, dass man nicht mit Gewalt in ein Schema passen muss, nur weil ein Großteil der Menschheit bestrebt ist, genau das zu tun. Soziale Ängste sind weit verbreitet. Nicht nur das Sprechen vor einer großen Menschenmenge rangiert hier unter den Top 3, auch das ganz normale Zugehen auf Fremde gehört dazu. Der klassische Party-Smalltalk ist in der Tat eine vom Aussterben bedrohte Kunstform, die man in besseren Kreisen früher von Kindheit an förmlich eingetrichtert bekam. Heute ist es gottseidank kein Beinbruch mehr, wenn Gesprächspausen entstehen, wo früher locker und charmant über das Wetter geplaudert wurde.

3. Die sozial Introvertierten 

Auch sie könnte man als typische Introvertierte bezeichnen, da sie weder Angst noch Scheu vor Menschen haben, aber die Einsamkeit dennoch und aus freien Stücken der Geselligkeit vorziehen. Sie mögen Menschen, aber das Lesen eines Buches oder das ungestörte Hören eines bewegenden Musikstückes ziehen sie im Zweifelsfall vor. Sie sind selbst ihre beste Gesellschaft, so etwas wie Langeweile oder Frustration kennen sie nicht. Das Zusammentreffen mit mehreren Menschen gleichzeitig kostet sie einiges an Kraft, aber sie fürchten sich auch nicht davor. Es wird im Anschluss sicher einige Tage dauern, bis die sozial Introvertierten ihre Batterien wieder vollständig aufladen konnten. Aber man trifft sie in Gesellschaft anderer Menschen sehr wohl an, und das freiwillig. Innerhalb der Gruppe der Introvertierten könnte man sie auch als die „Genießer“ bezeichnen. Sie können nämlich beide Seiten ihres Charakters leben, ohne Einbußen zu erleiden. Sie suchen sich jeweils die für sie gerade angenehmen Seiten des Lebens aus. Wenn ihnen nach handverlesener Gesellschaft ist, genießen sie diese in vollen Zügen. Wenn sie das Alleinsein gerade ansprechender finden, ziehen sie sich in ihren Burgfried zurück und lassen die laute und fordernde Welt außen vor.

4. Die nachdenklichen Introvertierten

Sie kanalisieren ihren Hang zur Introversion auf ganz besondere Art und Weise. Sie wirken zwar vielleicht abwesend, in ihrem Kopf jedoch ist meistens mehr los als in einer Shoppingmeile am Samstagnachmittag. Sie sind die Kreativen und Philosoph*innen unter uns Menschen, die jeden Gedanken bewusst zu Ende denken wollen und jeder Idee den Raum geben, der ihr zusteht. Doch sie denken nicht nur über die Welt und ihre Mitmenschen nach. Sie investieren auch sehr viel Zeit und Energie in Selbstreflexion und prüfen sich und ihre Optionen auf Herz und Nieren. Das Abdriften in ihre Fantasiewelt hat meistens einen guten Grund oder kann am Ende zumindest ein brauchbares Ergebnis liefern. Das Bauen von Luftschlössern liegt dieser Gruppe der Introvertierten einfach im Blut. Sie brauchen diese Phasen so dringend wie andere Menschen Sport oder eine herzhafte Mahlzeit. Auch die Denker*innen sind in ihrer Introversion weder gefangen noch unglücklich. Sie mischen sich gerne unters Volk und besuchen Veranstaltungen mit vielen Menschen. Diese Erlebnisse inspirieren sie sehr, verlangen aber auch ihnen im Anschluss wieder eine längere Phase der Ruhe und Regeneration ab. So viele neue Eindrücke auf einmal müssen erst ausgiebig verarbeitet werden. Ihre kreative Ader wird dadurch in der Folge beflügelt, und neue Ideen sprudeln nur so hervor, die wiederum in völliger Abgeschiedenheit ausgetestet werden müssen.

Keine bewusste Entscheidung, kein Lebensstil

Auch für die Introvertierten gilt: Sie haben sich diese Veranlagung nicht ausgesucht wie einen hippen Lifestyle, den man eben mal so aus einer Zeitschrift aufschnappt. Introversion und Extraversion sind angeboren, können aber natürlich bis ins Erwachsenenalter bis zu einem bestimmten Grad kanalisiert und gesellschaftlich „angepasst“ werden. Allerdings ist dieses Vorgehen vergleichbar mit dem Umerziehen einer/s Linkshänder*in auf rechts. Man kann es natürlich machen. Auf lange Sicht allerdings wird man diesen Personen keinen Gefallen damit tun, indem man sie von ihrer Natur fernhalten möchte. Schätzungsweise 30 bis 50 Prozent der Menschen werden tendenziell als eher introvertiert eingestuft. Dieses Leben ist also gar nicht so besonders, wie man meinen könnte. Im Endeffekt müssen wir alle mit den Karten spielen, die uns das Schicksal am Tag unserer Geburt in die Hand gedrückt hat. Leben und leben lassen wäre wie immer eine hervorragende Herangehensweise, um es den Introvertierten dieser Welt nicht noch schwerer zu machen, als es für sie ohnehin manchmal schon ist.