zu wenig Liebe

Probleme von Menschen, die als Kind zu wenig Liebe erfahren haben

Mangelerscheinungen für ein ganzes Leben

Egal ob bewusst oder unbewusst: Wenn wir als Kind von unseren Eltern und Erziehungsberechtigten zu wenig Zuneigung erfahren haben, entsteht ein Defizit, mit dem wir uns unser Leben lang herumschlagen müssen. Gefühle zu erwidern ist eine Kunst, die wir in jungen Jahren lernen müssen. Spätere Kompensation im Erwachsenenalter ist schwierig und oft nur mit professioneller Hilfe und viel Geduld bewältigbar. Das Schlimme daran ist, dass wir hier rückwirkend nichts ändern können. Schuldzuweisungen und ein Hadern mit der eigenen Kindheit machen die Sache nur noch schlimmer. Und da Liebe ja bekanntlich ein Gefühl ist, kommen wir einem Mangel davon auch nicht mit unserem Verstand oder unserer bloßen Willenskraft bei. Zu wenig Liebe in Kinderjahren schwächt unser emotionales Immunsystem für den Rest unseres Lebens. An den folgenden 8 Anzeichen ist dieser Umstand besonders deutlich zu erkennen:

1. Man fühlt sich immer als Außenseiter*in

Lange Zeit wird man sich diesen Umstand überhaupt nicht erklären können. Es scheint fast immer so, als ob man das Kuckuckskind in einem fremden Nest ist. Schule, Freunde, Beruf und sogar die eigene Familie schaffen es mitunter nicht, einem das Gefühl von Zugehörigkeit und totaler Akzeptanz zu vermitteln. Der Grund dafür: Wer als Kind nicht bedingungslos geliebt wurde, wird immer unbewusst auf der Suche nach Bedingungen sein, die diesen Umstand möglich machen. Wir sind praktisch niemals in der Lage, uns einem sozialen Umfeld hinzugeben und uns fallen zu lassen. Es kommt uns so vor, als ob wir lebenslang unsichtbare Kriterien erfüllen müssten, die niemals jemand tatsächlich an uns gestellt hat. Diese Unsicherheit ist allgegenwärtig und macht uns immer ein wenig zu einer isolierten menschlichen Insel auf dem gesellschaftlichen Festland. 

2. Die Furcht vor Zurückweisung ist omnipräsent

Beziehungspflege ist für Menschen, die als Kind nicht ausreichend mit Zuwendung bedacht wurden, wie ein ständiger Tanz auf dünnem Eis. Sie rechnen praktisch immer damit, abgewiesen und zurückgestoßen zu werden, wenn sie den Erwartungen anderer nicht zu 100 Prozent entsprechen. Falls in der Kindheit Liebe für emotionale Erpressung missbraucht wurde, wird dieser antrainierte Mechanismus leider Langzeitwirkung haben. Das besonders Tragische dabei: Die Angst vor Zurückweisung ist nicht nur auf den privaten Bereich beschränkt. Sie hindert diese Personen auch daran, sich beruflich dorthin zu entwickeln, wofür ausreichend Potenzial vorhanden wäre. Wer nie jemanden hatte, der an ihn glaubte, wird sich mit dem Durchstarten im späteren Leben sehr schwertun. Das Scheitern wird immer naheliegender erscheinen als ein Erfolg.

3. Sich anderen Menschen zu öffnen, fällt nicht leicht

Wer ständig auf der Hut nach unsichtbaren Fallstricken ist, wird sich hüten, sich anderen Menschen allzu leicht zu öffnen. Ein gesundes Maß an Skepsis fremden Menschen gegenüber ist sicher grundsätzlich klug und angezeigt. Wer als Kind aber keine grenzenlose Bestätigung erleben durfte, wird zwischenmenschliche Begegnungen immer als Risiko einstufen. Diese Vorsicht macht uns unnahbar und distanziert, auch wenn wir es vielleicht gar nicht sein möchten. Solche Schutzmechanismen irgendwann abzulegen, ist außerordentlich schwer. 

4. Angst ist ein ständiger Begleiter

Eine stabile und glückliche Kindheit kann als Fundament für das spätere Leben gar nicht hoch genug geschätzt werden. Umso schwerer haben es Menschen, denen dieses Geschenk verwehrt wurde. Wer Beziehungen nur als fragiles Konstrukt kennt, das jederzeit und ohne Grund in die Brüche gehen kann, wird ängstlich und verunsichert durch sein Leben gehen. Es bedarf zahlreicher positiver und glücklicher Erfahrungen, um dieser diffusen Angst ein wenig beizukommen. Sie manifestiert sich aber nicht nur im privaten und zwischenmenschlichen Bereich. Angstzustände sind häufig Symptome traumatischer Kindheitserlebnisse. Verluste, Missbrauch, Angriffe auf Körper und Seele hinterlassen tiefe Spuren in uns. 

5. Vertrauen zu fassen fällt schwer

Wer Vertrauen nicht von klein auf gelernt hat oder schlimmer noch: gelernt hat, dass Misstrauen der einzige sichere Weg ist, wird sich später natürlich umso schwerer damit tun. Verletztes oder missbrauchtes Vertrauen hinterlässt tiefe Wunden in uns. Selbst wenn hier irgendwann klärende Gespräche mit den Eltern stattfinden würden oder späte Einsicht angeboten wird: Der Schaden, der bereits angerichtet wurde, kann nicht wieder rückgängig gemacht werden. Davon betroffen ist später nicht nur unser Liebesleben und unsere Partnersuche. Ein wenig Vertrauen ist die Basis jeder zwischenmenschlichen Interaktion, die glücken soll. Chronisches Misstrauen erzeugt einen echten Domino-Effekt, der früher oder später alle Bereiche unseres Alltags tangiert.

6. Gesunder Egoismus verursacht Schuldgefühle

Wer es nie gewohnt war, im Mittelpunkt zu stehen und Prinzessin oder Prinz für Eltern und Großeltern zu sein, wird sich schwer damit tun, im Leben die Hauptrolle übernehmen zu wollen. Rein rational betrachtet wäre es für das eigene Selbstwertgefühl aber von enormer Wichtigkeit, ein wenig auf den Putz zu hauen und sich in den Vordergrund zu stellen. Das klingt leider einfacher, als es ist. Die Angst, mit einem solchen Verhalten Missgunst und Ablehnung zu erzeugen, ist nicht so einfach abzuschütteln.

7. Grenzen setzen: Fehlanzeige

Der Wunsch, geliebt zu werden, kann Menschen dazu bringen, alles und noch mehr zu geben. Sie tendieren häufig dazu, sich für andere förmlich aufzuopfern und bis zur Erschöpfung für sie da zu sein, in der Hoffnung, endlich Zuneigung und Wertschätzung als Gegenleistungen zu erhalten. Diese grenzenlose Verfügbarkeit öffnet aber nicht nur dem Missbrauch Tür und Tor. Es wird das Defizit der Kindheit und Jugend auch nicht ausgleichen können. Eine Liebe, die auf einem Gegengeschäft beruht, ist keine echte Liebe. Hier läuft man im Hamsterrad dagegen an, dem Fluch der Kindheit zu entkommen. Jene Form von Zuwendung, die wir ohne Absicht und ohne Hintergedanken bekommen sollten, werden wir so nicht erhalten.

8. Beziehungsmuster der Kindheit leben weiter

Die Vorbildwirkung, die das Familienleben unserer Kindheit für unser eigenes später hat, ist nicht zu unterschätzen. Viele toxische Beziehungen, die Erwachsene durchmachen müssen, haben ihren Ursprung in ganz ähnlichen Mustern, die sie als Kinder und Jugendliche für selbstverständlich hielten. Nicht selten neigen Frauen, die als Mädchen Gewalt und Missbrauch erleben mussten, dazu, sich solche Männer als Partner zu suchen. Umgekehrt tendieren Männer, die von narzisstischen und manipulativen Müttern großgezogen wurden, dazu, Frauen mit ähnlichen Charakterzügen als Partnerinnen zu wählen. Das Problem dabei ist die intensiv prägende Vorbildwirkung, die frühkindliche Erfahrungen auf uns haben. Selbst wenn wir später wissen, dass diese Mechanismen falsch waren, wird unser Verstand nicht so leicht über unser Gefühlsleben siegen können. Es fällt uns schwer, uns etwas anderes vorzustellen als das, was wir jahrelang als Realität täglich vorgelebt bekamen. 

Fazit: Lieblose Kindheit − lieblose Erwachsene?

Die moderne Psychologie geht davon aus, dass wir fünf positive Erfahrungen benötigen, um eine negative auszugleichen. Diese Quote verspricht uns wahrlich keinen Selbstläufer in Sachen Beziehungen, wenn wir als Kinder zu wenig geliebt wurden. Ein Ding der Unmöglichkeit ist dieses 5:1 Verhältnis aber auch nicht. Darüber hinaus ist das Verarbeiten emotionaler Traumata sehr individuell. Manchen Menschen gelingt es ganz gut, einen Strich unter das Thema Kindheit zu ziehen und es selbst einfach besser zu machen. Leider schaffen es nicht alle, und sie geben den Stab der Distanziertheit nahtlos an die nächste Generation weiter. Einen Vorwurf machen kann man diesen Menschen nicht. Wer den Funken der Liebe nie entzünden durfte, kann ihr Licht nicht weitergeben.

https://psychcentral.com/blog/psychology-self/2019/09/trauma-lack-of-love#1